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b_215_215_16777215_0_0_images_stories_akt12_0522atomforum_atomforum_abschalten_2009.jpg(Artikel von german-foreign-policy.com, 18.05.12) Bei ihrer Jahrestagung in der kommenden Woche will sich die deutsche Atomwirtschaft als weltweit führend präsentieren. Die Branche versteht sich als "Schrittmacher internationaler nuklearer Hochtechnologie" und verweist auf "ausgezeichnete Perspektiven im Export und Servicegeschäft" durch den internationalen Ausbau der Atomstromproduktion. Entsprechend steht die "Kompetenzerhaltung" auf dem Gebiet der Kerntechnik im Mittelpunkt der Tagung; vorgestellt werden zahlreiche "Innovationen" in den Bereichen Brennelementtechnik, Anlagenneubau, Strahlenschutz, Entsorgung und Endlagerung. Auch die sogenannte Transmutation wird Thema der Konferenz sein.

Dabei werden langlebige, hochtoxische radioaktive Elemente in schneller zerfallende, weniger giftige Stoffe umgewandelt. Geschehen soll dies in "Atomreaktoren der vierten Generation", die den radioaktiven Abfall herkömmlicher Kernkraftwerke verarbeiten und dabei Strom erzeugen. Gleichzeitig ist der Betrieb dieser Anlagen mit hohen Risiken für Mensch und Natur verbunden, da für den Transmutationsprozess große Mengen extrem toxischer radioaktiver Stoffe wie etwa Plutonium vorgehalten werden müssen. Plutonium wiederum ist für die Produktion von Atomwaffen unverzichtbar. Federführend auf dem Gebiet der Transmutationsforschung ist das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das bei der Jahrestagung der Atomwirtschaft mit zahlreichen Referenten vertreten sein wird.

Nicht mehr emotional belastet
Für den 22. bis 24. Mai laden das "Deutsche Atomforum" und die "Kerntechnische Gesellschaft" erneut zu ihrer "Jahrestagung Kerntechnik" ein. Die Veranstaltung im Stuttgarter Kultur- und Kongresszentrum "Liederhalle" wendet sich in erster Linie an die deutsche Atomwirtschaft, die neben den führenden Energiekonzernen auch zahlreiche inner- und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen umfasst. Wie die Veranstalter mitteilen, wollen sie insbesondere die "weitere Entwicklung der Kernenergie als integraler Bestandteil der europäischen und internationalen Energieversorgung beleuchten". Ihnen zufolge wird den Teilnehmern die Möglichkeit geboten, sich "umfassend über die weltweiten Trends und Entwicklungen auf dem Gebiet der friedlichen Nutzung der Kernenergie zu informieren". Nachdem die letzte Jahrestagung "inhaltlich wie emotional unter dem starken Eindruck der Ereignisse in Fukushima" gestanden habe, wolle man nun zu "intensiver fachlicher Diskussion" zurückkehren, heißt es.[1]

Erfolgsbranche
Als Eröffnungsredner der "Jahrestagung Kerntechnik" ist der Präsident des "Deutschen Atomforums", Ralf Güldner, vorgesehen. Der ehemalige Manager des Energiekonzerns E.ON äußerte sich erst im Dezember letzten Jahres vor Bundestagsabgeordneten zur von der Bundesregierung angekündigten "Energiewende" und zur Zukunft der deutschen Atomwirtschaft. Güldner wies bei dieser Gelegenheit darauf hin, "dass die kerntechnische Industrie in Deutschland nicht nur aus Kernkraftwerken und ihren Betreibern besteht": "Mit dem Einstieg in die friedliche Nutzung der Kernenergie vor mehr als 50 Jahren wurde in Deutschland ein ganzer Industriezweig aufgebaut, der fast die gesamte Wertschöpfungskette der Kerntechnik und die Bandbreite von Know-how, Forschung und Entwicklung abdeckt." Wie der Atomkraftlobbyist weiter ausführte, bestehe in Deutschland ein "nukleare(r) Kompetenzcluster", der zur "weltweiten Spitzengruppe" zähle. Dieser verfüge über "ausgezeichnete Perspektiven im Export und Servicegeschäft" und könne "vom weltweiten Ausbau der Kernenergie durch seine führende Stellung stark profitieren". Scharf wandte sich Güldner in diesem Zusammenhang gegen die "Abschaffung von Exportbürgschaften" für deutsche AKW-Komponenten; der von der Bundesregierung angekündigte "Ausstieg aus der Kernkraftnutzung" dürfe "nicht zum Feldzug gegen eine bedeutende und erfolgreiche Branche" ausarten.[2]

Störfallsimulationen
Entsprechend den Äußerungen des Präsidenten des "Deutschen Atomforums" wird die "Kompetenzerhaltung in der Kerntechnik" im Mittelpunkt der Stuttgarter Jahrestagung stehen. Vorgesehen sind unter anderem Vorträge über die "Optimierung des Kernbrennstoffeinsatzes" und neuartige Methoden zur "Lebensdauerbewertung von Kraftwerkskomponenten". Etliche Referate werden sich zudem mit Fragen der Sicherheit von AKWs befassen. Auf dem Programm stehen Maßnahmen gegen "Station Blackouts" und "Kühlmittelverluststörfälle" ebenso wie die "Berechnung von Lasten in Folge von Berst- und Explosionsdruckwellen" oder die "Simulation von Aufprallversuchen mit Stahlbetonstrukturen". Während sich die zuletzt genannten Vorträge offenbar kriegs- und bürgerkriegsähnlichen Szenarien widmen, werden andere Referenten die für die Atomindustrie relevanten Lehren aus der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima ziehen. So wird ein Mitarbeiter des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) über Methoden zur "exakteren Berechnung der Wasserstoffverteilung bei schweren Störfällen" berichten.[3] In Fukushima waren mehrere Reaktorgebäude vollständig zerstört worden, als in Folge der Kernschmelze aus Wasserstoff und Sauerstoff entstandenes Knallgas explodierte.

Hochtoxisch
Auch die sogenannte Transmutation wird Thema der "Jahreskonferenz Kerntechnik" sein. Der Begriff bezeichnet die Umwandlung langlebiger, hochtoxischer radioaktiver Elemente in schneller zerfallende, weniger giftige Stoffe. Geschehen soll dies in "Atomreaktoren der vierten Generation", die den radioaktiven Abfall herkömmlicher Kernkraftwerke verarbeiten und dabei Strom erzeugen.[4] Der Betrieb solcher Anlagen ist allerdings mit hohen Risiken für Mensch und Natur verbunden, da für den Transmutationsprozess große Mengen extrem toxischer radioaktiver Stoffe wie etwa Plutonium vorgehalten werden müssen. Federführend auf dem Gebiet der Transmutationsforschung ist einmal mehr das KIT, dessen Institut für Kern- und Energietechnik sowohl mit dem deutschen Zweig des französischen Energiekonzerns Areva als auch mit dem von der EU eingerichteten Institut für Transurane (ITU) kooperiert. Das ITU verfügt seinerseits über eine Genehmigung für den Umgang mit 180 Kilogramm Plutonium.

Nukleare Schrittmacher
Plutonium wiederum ist für die Produktion von Atomwaffen unerlässlich. Das hierfür notwendige Know-how eigneten sich Medienberichten zufolge in den 1970er Jahren pakistanische Wissenschaftler bei Aufenthalten am Kernforschungszentrum Karlsruhe an, das 2009 mit der Universität Karlsruhe zum KIT verschmolzen wurde.[5] Die Aussage der deutschen Atomkraftlobby, deutsche Forschungseinrichtungen seien "Schrittmacher internationaler nuklearer Hochtechnologie" [6], erhält vor diesem Hintergrund eine durchaus ambivalente Bedeutung.

[1] Jahrestagung Kerntechnik. 22.-24. Mai 2012. Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle Stuttgart. Vorläufiges Programm
[2] Ralf Güldner: Die energiewirtschaftlichen Herausforderungen der Energiewende in Deutschland. Eröffnungsansprache anlässlich der Veranstaltung "Energie im Dialog" des Deutschen Atomforums. Berlin 14.12.2011
[3] Jahrestagung Kerntechnik. 22.-24. Mai 2012. Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle Stuttgart. Vorläufiges Programm
[4] Die genannten Reaktoren ähneln dem sogenannten Schnellen Brüter im nordrhein-westfälischen Kalkar. Für die industrielle Umsetzung der Transmutation sind außerdem Wiederaufarbeitungsanlagen ähnlich der im bayerischen Wackersdorf vorgesehenen erforderlich. Beide Projekte wurden aufgrund des Widerstands der Bevölkerung und der mit ihnen verbundenen exorbitanten Kosten suspendiert. S. hierzu auch: Dietrich Schulze: Transmutation des Atomausstiegs. KIT-Atomreaktorforschung von Grün auf Rot schalten; Solarzeitalter 3/2011
[5] Meinrad Heck: Die Pakistan-Connection; Kontext 13.05.2012
[6] Kerntechnische Forschung in Deutschland; www.kernenergie.de Mai 2009