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VGH-Urteil vom 10.02.2015 zur Rechtswidrigkeit der Datenspeicherungen des LKA

14.01.2007(Von Herbert Würth) Mit seinem Urteil vom 10.02.2015 zur Rechtswidrigkeit der Datenspeicherungen eines Atomkraftgegners durch das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA) hat der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim (VGH) ein Grundsatzurteil (1 S 554/13) gesprochen. Alle verhandelten Speicherungen wurden für nicht rechtmäßig erklärt. Die bisherige Bewertungspraxis von angeblichen Straftatverdächtigungen durch das LKA und der darauf basierenden Datenspeicherungen in der Straftäterdatei AD-PMK – Arbeitsdatei politisch motivierte Kriminalität und anderen Polizeidateien wurde in Frage gestellt.



Wie alles begann.

Im Juli 2007 erhielt ich einen Anruf von der Kreispolizeibehörde Ludwigsburg an meinem Arbeitsplatz(!). Eine Beamtin teilte mir mit, dass ich der verantwortliche Leiter eines „Sonntagsspaziergangs“ am Atomkraftwerk Neckarwestheim wäre und diesen anzumelden hätte. Als ich dies verneinte warf sie mir im Laufe des Gespräches vor, dass ich schon in zahlreiche Auseinandersetzungen mit der Polizei verwickelt gewesen wäre und Straftaten begangen hätte. Da war ich anschließend „leicht aus dem Häuschen“ und wollte wissen, an welchen mir nicht bekannten „gewalttätigen Auseinandersetzungen“ ich angeblich beteiligt war. So begann meine umfangreiche Datenauskunftsabfrage bei der örtlichen Polizei, beim LKA, Bundeskriminalamt und beim Verfassungsschutz. Daraus wurde dann eine mehrjährige rechtliche Auseinandersetzung bis zum VGH Mannheim Urteil im Februar 2015.

Nur Teilauskünfte und Verweigerungen – Klage VG Stuttgart
Die Polizeibehörde Ludwigsburg und die Kreispolizeibehörde reichten meine Datenabfragen an das LKA weiter. Von dort erhielt ich nur eine Teilauskunft, eine umfassende Information über die Datenspeicherungen wurde verweigert. Mir wurde mitgeteilt, dass gegen mich ein Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsrecht gespeichert wäre und dass meine Daten in der Straftäterdatei  AD-PMK, INPOL-Fall-Datei „Innere Sicherheit“ – IFIS und LABIS (Lagebild Informationssystem) gespeichert sind. Das Bundeskriminalamt (BKA) verweigerte ebenfalls mit Bezug auf das LKA eine Auskunft. Der Verfassungsschutz gab aus „Staatschutzgründen“ keine Auskunft. Der Datenschutzbeauftragten von Baden-Württemberg durfte meine Speicherungen beim LKA einsehen, mir darüber jedoch keine Auskunft erteilen(!). Deshalb habe ich mit Rechtsanwalt Dr. Kauß (Freiburg) im April 2009 Klage auf Datenauskunft durch das LKA beim VG Stuttgart eingereicht.

Wahrnehmung von Grundrechten als Straftatvorwurf gespeichert
Wenige Tage vor dem Verhandlungstermin vor dem VG Stuttgart im Oktober 2011 erhielt mein RA Dr. Kauß vom  LKA eine über 100-seitige Auskunft (!) zu den Datenspeicherungen über mich, dies jedoch mit dem Vermerk, dass gleichzeitig alle Daten gelöscht worden wären.  Das Löschen der Daten hatte sowohl ich in meinen Anfragen, wie auch mein Anwalt Dr. Kauß stets untersagt. Wir wollten eine komplette Datenauskunft, um die Rechtmäßigkeit der Speicherungen prüfen zu lassen. Die 5. Kammer des VG Stuttgart mit dem Vorsitzenden Richter Proske, Richter Sohler und Richterin Dr. Fritz sprachen am 17.10.2011 ihr Skandalurteil (5 K 1777/09). Sie wiesen wegen der Datenlöschung durch das LKA meine Klage auf Feststellung, dass die Speicherungen rechtswidrig waren, ab. Berufung wurde nicht zugelassen.

Dagegen legte RA DR. Kauß beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim (VGH) Beschwerde ein, da ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Urteils bestehen. Mit genau dieser Begründung wurde die Berufung durch den VGH im März 2013 zugelassen. Der VGH Mannheim hat dann mit seinem Urteil vom 10.02.2015 (1 S 554/13) die 12 gelöschten Datenspeicherungen über mich und das Erfassen meiner Autokennzeichen insgesamt für rechtswidrig erklärt.


Die 13 verhandelten und vom VGH Mannheim für rechtswidrig erklärten
LKA + BKA-Speicherungen waren:


Der VGH hat hier ein Piloturteil für alle politisch aktiven Menschen mit Straftatverdachtsspeicherungen in Polizeidateien geschaffen und den Polizeibehörden engere Grenzen bei der Auslegung der Polizeigesetze gesetzt. Der VGH legte fest, dass alle Speicherungen über eine Person aufgrund von Verdachtsmomenten entweder durch Handlungen, durch Verurteilungen usw. und einer darauf basierenden Gefahreneinschätzung durch das LKA in den Akten konkret belegt werden müssen.
Das bisherige Vorgehen des LKA, auch pauschale Verdachtsspeicherungen ohne eine konkrete Zuordnung zu einer Personengruppe und ohne eine Überprüfung der Verdachtsmomente vor einer neuen Speicherung von Daten, erklärte der VGH für rechtswidrig. Zusätzlich legte der VGH fest, dass immer eine fristgerechte Überprüfung und Löschung der Datenspeicherungen zu erfolgen hat.

Wir haben diese rechtliche Auseinandersetzung immer politisch mit unserer Pressearbeit begleitet. Das Wichtigste auf der Homepage vom Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim auch bei den Presseerklärungen dokumentiert.

Mehr dazu auf unserer Internetseite:


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