- Heilbronner Stimme, 24.11.:

Langhaarigen Blonden statt dunklem Kurzhaarigen verurteilt

Von Franziska Feinäugle

Atomkraftgegner treibt es immer wieder auf die Straße.Foto: Archiv / Pfäffle

Neckarwestheim - Sitzt überhaupt der Richtige auf der Anklagebank? Das war die Kernfrage im jüngsten Kernkraftgegner-Prozess vor dem Heilbronner Amtsgericht. Wer die dreistündige Hauptverhandlung am Freitagmorgen verfolgte, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es der Falsche war.

Protest Es geht um eine Kundgebung vor dem Atomkraftwerk Neckarwestheim am Sonntag, 14. Januar, und um die Tatsache, dass sie zwar bereits Ende 2006 im Internet angekündigt, nicht aber bei den Behörden angemeldet war.

Wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz muss sich deshalb der 45-jährige Vorsitzende des Demokratischen Zentrums Ludwigsburg (DemoZ) verantworten - weil das DemoZ nicht nur 15 anderen Gruppen Räume und Adresse zur Verfügung stellt, sondern auch dem „Aktionsbündnis Castor-Widerstand Neckarwestheim“, auf dessen Homepage zu der Kundgebung im Januar aufgerufen worden war.

„Können Sie sich erklären, wie man auf den Angeklagten als Veranstalter gekommen ist?“, erkundigt sich der Richter bei einem 33-jährigen Polizisten, der an jenem Sonntag die „friedlich und störungsfrei“ verlaufene einstündige Veranstaltung beobachtet hat. „Nein“, antwortet der Polizist, der einen anderen Aktionsteilnehmer als „aktiver“ in Erinnerung und als Veranstalter pauschal das Aktionsbündnis weitergemeldet hat.

„Kurze, angegraute, schwarze Haare“ habe der Angeklagte gehabt, liest der Polizist aus seinen Notizen vor. „Mein Mandant ist naturblond und hat lange Haare“, wendet der Verteidiger ein, was alle sehen. Welche Rolle der Angeklagte innerhalb des Aktionsbündnisses habe, will der Richter von der nächsten Zeugin wissen. Eine „wie jeder andere auch“, antwortet diese zur Unzufriedenheit des Richters und ergänzt: Das sei etwas, „was hier nie verstanden“ werde: dass es auch „eine Art zu arbeiten gibt, bei der keine Rollen festgelegt sind. Das sind nicht solche Strukturen wie hier bei Ihnen am Gericht.“

Verneint Zeuge Nummer drei - kurze, angegraute, schwarze Haare - verneint ausdrücklich, dass der Angeklagte am Aufruf zur Kundgebung beteiligt war. Auch der Vorschlag selbst sei nicht vom DemoZ-Vorsitzenden gekommen. „Er war Teilnehmer und hatte einen der Redebeiträge.“ Beides ist nicht verboten. Der Verteidiger fordert Freispruch. Die Staatsanwaltschaft sieht ihre „Vorwürfe bestätigt“ und fordert eine 2000-Euro-Geldstrafe, die - da höher als 90 Tagessätze - den Angeklagten zum Vorbestraften machen würde. Der Richter spricht den 45-Jährigen schuldig und verhängt 60 Tagessätze à 20 Euro.

- Ludwigsburger Kreiszeitung, 24.11.:

Ein Kernkraftgegner verurteilt
Gericht hält ihn für Veranstalter einer nicht angemeldeten Kundgebung

GEMMRIGHEIM

Vor dem GIN haben im Januar dieses Jahres 80 Kernkraftgegnerdemonstriert - unangemeldet. Einer muss jetzt dafür bezahlen. Das Amtsgericht Heilbronn verurteilte ihn wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zu 1200 Euro Strafe.

VON EVA RIEFER

Fünf vor zwölf sei es, und Zeit, das Kernkraftwerk abzuschalten, ist die Meinung des Aktionsbündnisses Castor-Widerstand Neckarwestheim. Deshalb wurden am 14. Januar um 11.55 Uhr vor dem Tor des Kraftwerkgeländes Transparente entrollt, Reden gehalten und Kaffee und Kuchen verspeist.

Friedliche Demonstration

Alles lief friedlich ab, eine Stunde später zerstreute sich die Gruppe. „Wenn Sie die Demonstration vorher angemeldet hätten, wäre gar nichts passiert”, meinte der Richter. Doch das hat das Aktionsbündnis nicht gemacht.
Die Polizei ermittelte wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Der Vorsitzende des Ludwigsburger Vereins, in dessen Räumen das Aktionsbündnis Castor-Widerstand tagt, wurde schließlich als Verantwortlicher ausgemacht. 100 Tagessätze ä 20 Euro Strafe sollte er bezahlen - damit hätte er als vorbestraft gegolten. Nach einem Widerspruch landete der Fall gestern von dem Amtsgericht Heilbronn.

Keine führende Rolle gespielt

„Der Verein DemoZ stellt nur die Räume zur Verfügung, mit den Aktionen der Atomkraftgegner hat er aber überhaupt nichts zu tun”, stellte der Verteidiger fest. „Wenn man den Vorsitzenden dafür verantwortlich macht, ist das, als ob Vermieter für alles haften müssen, was ihre Mieter tun.” Bei der Demonstration war der Angeklagte zwar dabei. Er habe aber keine leitende Rolle gespielt, erklärten zwei Demonstrationsteilnehmer, die als Zeugen geladen waren. „Wir haben keine hierarchischen Strukturen. Jeder bringt sich so ein, wie er kann”, erklärte ein Kernkraftgegner. Die Staatsanwältin sah den Angeklagten trotzdem in verantwortlicher Position: „Der Verein hat Infrastruktur zur Verfügung gestellt, sogar ein Spendenkonto. Also muss sich der Vorsitzende auch festhalten lassen an den Aktivitäten des Aktionsbündnisses.”

Auch der Richter sah den Angeklagten als Veranstalter der Kundgebung und des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz schuldig. „Das Aktionsbündnis schafft nach außen hin undurchsichtige Strukturen und versteckt sich hinter einem anderen Verein”, war sein Eindruck.
Der Angeklagte habe von der Demonstration vor dem Kraftwerk gewusst und vor Ort tatkräftig mitgewirkt. Deshalb verurteilte das Gericht den Kernkraftgegner zu 60 Tagessätzen ä 20 Euro. Darüber hinaus muss er auch die Kosten des Verfahrens tragen.

Kundgebung am Sonntag

Die nächste Kundgebung der Kernkraftgegner findet am morgigen Sonntag, 13 Uhr, vor dem GKN statt.

- SWR Heilbronn:

Heilbronn
Amtsgericht verringert Strafmaß


Das Amtsgericht Heilbronn hat heute die Geldstrafe gegen einen Atomkraftgegner wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz deutlich verringert. Die Staatsanwaltschaft hatte von dem 45 jährigen Angeklagten aus Ludwigsburg hundert Tagessätze a 20 Euro gefordert. Das Gericht reduzierte die Geldstrafe auf nur noch 60 Tagessätze, weil der Tatvorwurf nicht so gravierend sei und weil der Angeklagte nicht vorbestraft ist. Durch die geringere Strafe entfällt eine Eintragung, der Angeklagte bleibt damit nicht vorbestraft. Laut Anklage soll er zu einer nicht genehmigten Demonstration in Neckarwestheim vor dem Atomkraftwerk aufgerufen haben.

- Bietigheimer Zeitung, 24.11.:

KIRCHHEIM, 24. NOVEMBER 2007
GERICHT

Castorgegner verurteilt
Der Vereinsvorsitzende des Demokratischen Zentrums (Ludwigsburg) wurde gestern vom Amtsgericht Heilbronn zu einer Strafe von 60 Tagessätzen á 20 Euro wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz verurteilt. Bei der Verhandlung ging es um die Frage, ob der Mann für eine nicht genehmigte Kundgebung am 14. Januar 2007 vor dem GKN in Neckarwestheim die Verantwortung trägt, weil sich das Aktionsbündnis "Castor-Widerstand Neckarwestheim" in den Ludwigsburger Vereinsräumen trifft und dort auch seine Postadresse hat. Gleichzeitig wurde erörtert, ob der Angeklagte bei dieser Kundgebung eine "herausragende Rolle" hatte. Die Verantwortung für die Kundgebung sah das Gericht, blieb aber beim Urteil unter der Forderung der Staatsanwalt von 100 Tagessätzen á 20 Euro, was dazu führte, dass der Angeklagte nun nicht als vorbestraft gilt.

VON KNZ

- Stuttagrter Nachrichten, 27.11.

Atomkraftgegner wehrt sich gegen Strafe

44-Jähriger wegen unangemeldeter Demonstration in Neckarwestheim verurteilt

Ludwigsburg/Heilbronn - Wegen einer nicht angemeldeten Demonstration vor dem Kernkraftwerk in Neckarwestheim wurde ein Atomkraftgegner jetzt zu einer Geldstrafe verurteilt - zu Unrecht wie Mitstreiter finden, die dagegen vorgehen wollen.

VON KERSTIN RUCHAY

Die Kundgebung liegt inzwischen zehn Monate zurück. Am 14. Januar trafen sich Mitglieder des Aktionsbündnisses Castor-Widerstand Neckarwestheim vor dem Atommeiler, um gegen eine längere Laufzeit des Altreaktors zu protestieren. Unter den Demonstranten befand sich auch der Vorsitzende des Demokratischen Zentrums Ludwigsburg. In den Räumen des Vereins tagen die Castorgegner und nutzen den Telefonanschluss wie auch die Postadresse, da sie keinen eignen Treffpunkt haben.

Vor dem Amtsgericht in Heilbronn wurde der Vereinschef nun wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsrecht zur Rechenschaft gezogen. Die Kundgebung war nicht angemeldet und somit auch nicht zulässig. Die Staatsanwaltschaft sah den 44-Jährigen als Veranstalter und beantragte eine Zahlung von 100 Tagessätzen à 20 Euro. Damit wäre er vorbestraft gewesen. Als Vorsitzender des Demokratischen Zentrums, so die Begründung, sei er auch für die Aktivitäten des Aktionsbündnisses verantwortlich.

Gegen den Strafbefehl legte der 44-Jährige Einspruch ein. Der Richter des Amtsgerichts kam jetzt zwar zum selben Schluss wie die Staatsanwaltschaft, senkte das Strafmaß aber und verurteilte ihn zu 60 Tagessätzen mit je 20 Euro.

Damit will sich das Aktionsbündnis nicht zufrieden geben und hat rechtliche Schritte angekündigt. "Die Entscheidung ist untragbar", sagt Sprecher Herbert Würth. "Obwohl der Vorsitzende keine tragende Rolle gespielt hat, wird er haftbar gemacht."