Kurzinfo und Presseberichte "Strafbefehl wegen Verstoß gegen das VersG"

Image Am 29.1. fand am Landgericht Heilbronn die Berufungsverhandlung zur Aktion "Fünf vor 12" am 14.1.2007, gegen den Antrag auf Laufzeitverlängerung für GKN 1, statt. Per Strabefehl war ein im Aktionsbündnis aktiver AKW-Gegner wegen angeblichen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz zum 100 Tagessätzen à 20 Euro verurteilt worden, weil er als Vereins-Vorsitzender des DemoZ Ludwigsburg (Kontakt und Büro-Adresse des Aktionsbündnis) für diese nicht angemeldete Kundgebung versammlungsrechtlich verantwortlich sei.

Das Verfahren wurde jetzt nach zwei Jahren vom Landgericht per Beschluss nach §153 StPO eingestellt. Die Kosten des Verfahrens sowie die Auslagen/Anwaltskosten des Beklagten trägt die Staatskasse. Alle konstruierten und erhobenen Vorwürfe in diesem Verfahren erwiesen sich vor Gericht als rechtlich
unhaltbar.


Das Aktionsbündnis Castor-Widerstand Neckarwestheim wertet den Ausgang dieses Verfahrens als Erfolg. Es wird sich weiterhin aktiv für die sofortige Stilllegung aller Atomanlagen engagieren - und sich den damit weiter einhergehenden Kriminalisierungsversuchen der staatlichen Behörden offensiv
widersetzen.

Kriminell ist der Betrieb von Atomkraftwerken, mit all seinen Risiken und schlimmen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt - und nicht der berechtigte Widerstand dagegen!



In der Folge Presseberichte zur Verhandlung:

* Stuttgarter Zeitung, 30.01.09

Was macht den Demonstranten zum Rädelsführer?
Landgericht Heilbronn revidiert Verurteilung eines Atomkraftgegners, der an einer unangemeldeten Kundgebung teilgenommen hat

Ludwigsburg. Der Vorsitzende des Demokratischen Zentrums Ludwigsburg ist nicht automatisch auch Vorsitzender der hiesigen Atomkraftgegner. Mit dieser Feststellung hat das Landgericht Heilbronn ein Amtsgerichtsurteil aufgehoben. Die Kosten trägt die Staatskasse.

Von Markus Klohr

Saal B des Heilbronner Landgerichts ist gestern Schauplatz heftiger Zusammenstöße geworden. Hierarchisches Denken prallte auf anarchische Vereinsstrukturen. Recht und Ordnung prallten auf die Anti-Atomkraft-Szene in Gestalt des Aktionsbündnisses Castor-Widerstand Neckarwestheim. Das Ergebnis war für die Beobachter kurios, ist für den Steuerzahler aber nicht ganz billig.

Auf der Anklagebank saß der Vorsitzende des Demokratischen Zentrums Ludwigsburg (DemoZ). Der 46-Jährige hat nie geleugnet, dass er am 14. Januar 2007 an einer Demonstration gegen die Laufzeitverlängerung des Kernkraftwerks Neckarwestheim teilgenommen hat - so wie rund 80 weitere Atomkraftgegner. Die Polizei war bereits vor den Demonstranten da, die Veranstaltung verlief insgesamt friedlich und unspektakulär: Transparente wurden aufgehängt (und später wieder entfernt), einige Teilnehmer ließen Anti-AKW-Parolen per Megafon verlauten, Kuchen und Tee wurden serviert.

Dennoch hatte der Nachmittag ein ebenso langwieriges wie kostspieliges juristisches Nachspiel. Das erwähnte Aktionsbündnis der AKW-Gegner hatte zu der Aktion aufgerufen, es jedoch versäumt, die Veranstaltung ordnungsgemäß anzumelden. So etwas gilt als Straftat. Das Problem der Polizei war aber: sie hatte keinen Täter. Denn juristisch gesehen braucht es für einen Strafbefehl eine oder mehrere Personen, die für die ungenehmigte Demo verantwortlich sind. Das Aktionsbündnis kennt jedoch keine Hierarchien und hat somit auch keinen Vorsitzenden.

Das brachte eine 53-jährige Heilbronner Kriminalbeamtin auf eine Idee. Weil auf dem Flyer, der zur Demo aufrief, auch das politisch im linken Spektrum angesiedelte DemoZ erwähnt wurde und das Aktionsbündnis Telefon, Konto und Räumlichkeiten des Ludwigsburger Vereins nutzt, lag der Schluss für sie auf der Hand: der Vorsitzende des Vereins muss auch der Rädelsführer der Anti-AKW-Aktion gewesen sein. Als ein Bietigheimer Polizeibeamter ihr noch bestätigte, dass just jener 46-Jährige an der Demo teilnahm, erstattete sie Strafanzeige. Das Amtsgericht Heilbronn verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20 Euro. Weil dieser die 1200 Euro aber nicht zahlen wollte, landete die Sache beim Landgericht.

Dort bot sich gestern ein etwas anderes Bild. Der etwas erstaunte Richter stellte nach einer rund fünfstündigen Verhandlung fest, dass "in dieser Sache nicht sehr intensiv ermittelt worden" sei. Sprich: die Polizei hatte schlicht das Demokratische Zentrum mit dem Aktionsbündnis gleichgesetzt. Konkretere Beweise für die angebliche Rolle des Angeklagten als Organisator gab es nicht. Und das DemoZ stellt nicht nur dem Aktionsbündnis seine Infrastruktur zur Verfügung, sondern vielen Gruppen. Selbst der leicht verdutzte Staatsanwalt musste zugeben, dass "der ursprüngliche Vorwurf wohl kaum zu halten sein wird".

Am Ende stand ein Quasi-Freispruch. Das Verfahren wurde ohne weitere Auflagen eingestellt, der Richter deutete zudem noch an, dass seine Kammer "zu einer anderen Beurteilung als das Amtsgericht" gelangt sei. Für die Verfahrenskosten muss nun die Staatskasse aufkommen. Ein Betrag, der deutlich über den ursprünglich als Bußgeld verhängten 1200 Euro liegen dürfte.


* Ludwigsburger Kreiszeitung, 30.01.09

GEMMRIGHEIM/HEILBRONN

Landgericht stellt Verfahren gegen Atomkraftgegner ein

Vor dem Atomkraftwerk Neckarwestheim protestierte im Januar 2007 das Aktionsbündnis Castor-Widerstand gegen eine geplante Laufzeitverlängerung. Allerdings war die Demonstration nicht angemeldet. Verantwortlich für diesen Verstoß gegen das Versammlungsrecht machte das Amtsgericht Heilbronn den Vorsitzenden eines Ludwigsburger Vereins und verurteilte ihn im Herbst 2007 zu 1200 Euro Geldstrafe. Doch dieses Urteil wurde gestern aufgehoben.

Die Demonstration am 14. Januar 2007 selbst verlief friedlich. Die rund 80 Kernkraftgegner entrollten Transparente, tranken Tee, aßen Kuchen und taten ihre politische Meinung per Megafon kund. Rund eine Stunde dauerte die „Abschalt-Aktion“. Das Nachspiel ging dagegen über mehr als zwei Jahre: Weil die Demonstration nicht angemeldet war, ermittelte die Polizei wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und hatte auch schnell einen Täter gefunden. Der Vorsitzende eines Ludwigsburger Vereins für politische und kulturelle Bildung sei qua Amt verantwortlich. Schließlich stelle der Verein dem Aktionsbündnis Räume, Telefon, Postadresse und ein Konto zur Verfügung. Außerdem habe der 46-Jährige an der Demonstration teilgenommen, ein Transparent aufgehängt, zu den Demonstranten gesprochen und beim Auf- und Abbau geholfen. Damit sei er Versammlungsleiter gewesen und schuld am Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Das Amtsgericht Heilbronn folgte im November 2007 dieser Argumentation und verurteilte den Vereinsvorsitzenden zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 20 Euro.

Die Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Heilbronn ergab gestern dagegen ein anderes Bild. „Es ist kaum zu beweisen, dass der Angeklagte Leiter der Versammlung war“, fasste der Richter zusammen, nachdem das Gericht vier Stunden lang erneut Zeugen vernommen hatte. „Er hat sich nicht besonders aus den weiteren Demonstrationsteilnehmern hervorgehoben.“ Man könne nicht davon ausgehen, dass alle Teilnehmer sich erkundigen müssen, ob die Veranstaltung genehmigt sei. Auch dass der Angeklagte die Aktion organisiert oder zu ihr eingeladen hätte, ließ sich nicht nachweisen.

Zwei Zeugen aus den Reihen der Atomkraftgegner wurden zur Demonstration und der Struktur des losen Bündnisses befragt, gaben aber nur spärlich Auskunft. Teilweise aus Vorsicht: Gegen einen 53-Jährigen wird ebenfalls ermittelt, weil er als „Leiter“ einen „Sonntagsspaziergang“ mit wenigen Personen zum GKN nicht angemeldet haben soll. Und der Richter hatte vorher darauf hingewiesen, dass schon „psychische Beihilfe“ ebenfalls strafbar sei.

Ausgeräumt wurde in der gestrigen Verhandlung die Annahme, dass das Aktionsbündnis Castor-Widerstand Teil des Ludwigsburger Vereins sei. „Das Aktionsbündnis ist nicht unbedingt eine Untergruppe“, schloss der Richter. Deshalb könne man nicht einfach den Vereinsvorsitzenden für das Aktionsbündnis verantwortlich machen. „Hier ist nicht sehr intensiv ermittelt worden“, kommentierte der Richter die Arbeit der Polizei. Am Ende wurde das Verfahren eingestellt. Der Richter redete aber den Atomkraftgegnern ins Gewissen: „Melden Sie doch die Demonstrationen an, dann haben wir dieses Theater nicht.“

Eva Riefer

* Stuttgarter Nachrichten, 30.01.09

Verfahren eingestellt
Atomgegner siegt vor Gericht

Ludwigsburg - Die Atomkraftgegner können einen juristischen Erfolg verbuchen: In einer Berufungsverhandlung hat das Heilbronner Landgericht das Verfahren gegen einen langjährigen Aktivisten aus Ludwigsburg eingestellt und deutliche Kritik an der Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft geübt.

Angeklagt war der Angestellte Markus S. (46), weil das Aktionsbündnis gegen Castor-Transporte aus Neckarwestheim im Januar 2007 eine nicht ordnungsgemäß angemeldete Kundgebung vor dem Kraftwerk veranstaltet hatte. Wegen der fehlenden Anmeldung flatterte dem Ludwigsburger ein Strafbefehl über 2000 Euro ins Haus. Damit wäre S. vorbestraft gewesen - er legte Widerspruch ein. Bei der ersten Verhandlung im November 2007 milderte das Amtsgericht Heilbronn den Strafbefehl zwar von 100 auf 60 Tagessätze ab, zweifelte aber nicht an der Anklage.

Erst in der Berufungsverhandlung kam zur Sprache, wie die Polizei überhaupt auf S. als Verantwortlichen gekommen war. Er ist Vorsitzender des Demokratisches Zentrums Ludwigsburg, in dem sich auch das Aktionsbündnis Castor-Widerstand trifft. Dass der Verein den Atomkraftgegnern die Postadresse und ein Info-Telefon zur Verfügung stellt und S. auch selbst an Demos teilnahm, reichte dem Staatsanwalt für die Anklage. "Da ist nicht arg intensiv ermittelt worden", beklagte der Heilbronner Richter.
Weil sich nicht zweifelsfrei klären ließ, wer vom Aktionsbündnis die Anmeldung der Kundgebung verbummelt hatte, stellte das Landgericht das Verfahren ein.

Die Rechte von Anliegern bei Castor-Transporten hat jetzt aber auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gestärkt. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht muss erneut über die Klagen von zwei Hauseigentümern an der Strecke zum Zwischenlager Gorleben entscheiden. Das Gefährdungspotenzial beim Transport von Kernbrennstoffen habe "eine andere Qualität" als die dauerhafte Belastung bei ortsfesten atomaren Anlagen, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss.



Übersicht zum Thema Kriminalisierung:
Repression - Aktueller Stand der Dinge (Stand Dezember 08)

DemoZ Ludwigsburg:
www.demoz-lb.de