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Geheimvertrag zwischen Bundesregierung und EVUs läßt Gewinne der Atomkonzerne sprudeln

b_215_215_16777215_0_0_images_stories_akt10_a3.jpgDie "Laufzeitverlängerung" der AKWs wird von der Kanzlerin mit der notwendigen Übergangszeit in das regenerative Zeitalter begründet.
Sie stellt es als ein Nehmen und Geben dar – aber was bewirkt die "Laufzeitverlängerung", außerhalb vollmundiger Presseerklärungen der Bundesregierung denn tatsächlich?
Ein Blick in den Vertragstext lohnt sich !



Vertragstext („Geheimabkommen“) vom 6.9.2010

Die Atomkraftwerksbetreiber bekommen, wie im Vorläufer-Vertrag der Rot-Grünen-Regierung aus dem Jahre 2000, für jedes AKW wieder nur Stromkontingente zugewiesen, frei von AKW auf AKW übertragbar – insgesamt sind es 1800 Terawatt/h. Wieder gibt es keine konkreten Abschaltdaten. Die tatsächliche Laufzeit des einzelnen Atommeilers liegt daher weitgehend in der Hand der Betreiber - die Regierung beschneidet sich dadurch selbst in ihrer politischen Handlungsfähigkeit.

Die "Laufzeitverlängerung" spült der Atomindustrie über die gesamte Laufzeit ca. 100-140 Mrd. Euro in die Kassen – dafür sollen sie sich insbesondere am Finanzhaushalt des Bundes und nur in einem relativ geringen Umfang an der „Energiewende“ beteiligen („Abschöpfung“):

Brennelement-(BE)-Steuer
Die BE-Steuer wird in den Jahren 2011-2016 erhoben – formal in einer Höhe von ca. 2,3 Mrd. Euro pro Jahr und zeitlich auf 6 Jahre befristet. Den Atomkraftwerksbetreibern ist die unbeschränkte steuerliche Absetzbarkeit garantiert: Damit sparen sie sich im Gegenzug Steuern auf die Jahresgewinne in Höhe von etwa 35-45 %. So bleibt faktisch als Mehreinnahme beim Bund nur etwas mehr als die Hälfte, nämlich ca. 1,5 Mrd. Euro pro Jahr bzw. insgesamt 9 Mrd. Euro.

Gleichzeitig hat die Bundesregierung in der Präambel des Vertrages anerkannt, dass die Betreiber diese BE-Steuer gerichtlich anfechten werden – also bleibt offen, ob die Atomkonzerne diese „steuerliche Gegenleistung“ überhaupt zahlen werden.

Die Bundesregierung schließt damit einen Vertrag, dessen wesentlicher Bestandteil („Benefit“ für die Regierung) von der Atomindustrie bei und mit der Unterschrift bereits in Zweifel gezogen wird !

Förderfonds
Die Betreiber sollen ab 2017 nach Auslaufen der Brennelement-Steuer in einen Förderfond für die „Energiewende“ einzahlen: Je produzierter MWh, aber abzüglich der für den Eigenbetrieb notwendigen Stromenergie, sollen es 9 Euro sein... Dieser Betrag ist flexibel, soll an den Index der Verbraucherpreise aller Haushalte sowie an weitere wirtschaftliche Rahmenbedingungen (German Baseload Future) angelehnt sein – über die Jahre beteiligen sich die Atomkonzerne maximal mit ca. 1,6 Mrd. Euro an den Fonds, natürlich steuerlich absetzbar !
Im Vorgriff auf das Jahr 2017 leisten die EVUs bereits ab 2011 Vorauszahlungen, die dann später verrechnet werden. Damit bleibt der Bundesregierung die Blamage erspart, die nächsten Jahre überhaupt kein Zusatzgeld (wegen der angekündigten Klage gegen die BE-Steuer) abzuschöpfen – und der Vertrag bekommt bereits eine größere Rechtsbeständigkeit.

Im Vertragstext wird unter §4 festgelegt, dass dieser Förderbeitrag gesenkt oder ausgesetzt werden darf, wenn anderweitige betriebliche Mehrkosten auf die Betreiber zukommen:
Das sind:
-Sicherheits-Nachrüstungen bis zum Ende der Laufzeit eines AKWs, wenn diese einen Gesamtbetrag von 500 Mio. Euro überschreiten
-Jede zukünftige steuerliche Belastung innerhalb des gesamten Kernbrennstoffkreislaufes. Explizit sind im Vertrag auch zukünftige Belastungen aus der nuklearen Entsorgung genannt.

Damit läßt die Bundesregierung zu, dass zukünftige Regierungen dauerhaft an der Leine der Atomindustrie angebunden sind – das Geschenk der "Laufzeitverlängerung" soll unangetastet bleiben. Für die Sicherheit der AKWs - in der Präambel als „Priorität“ beschrieben - wird mit Einverständnis der Regierung der Steuerzahler aufkommen und selbstverständlich „mitzahlen“ müssen. Einzig für eine billige „Sicherheit-light“ bleibt der Betreiber zuständig – alles, was darüber hinaus geht, muß damit die öffentliche Hand übernehmen. Und von den explodierenden Kosten der havarierten Endlager in ASSE und Morsleben stellt die Regierung die Atomkraftwerksbetreiber auch zukünftig mehr oder weniger frei !

Sollten trotzdem die Betreiber wider aller Erwartungen nicht auf ihre Profite kommen, ist bereits für das Jahr 3 des Fonds (2019) vertraglich eine Überprüfung vereinbart, damit ab diesem Zeitpunkt „sämtliche Kosten der Betreiber“ einbezogen werden können – also auch die Erhöhung der Aufsichtsratsgelder oder die Netzausbaukosten werden den Fondbeitrag senken!

Die Regierung ihrerseits garantiert hingegen die "Laufzeitverlängerung" ohne Wenn und Aber - ohne Kontroll- oder Überprüfungsmechanismen.

Damit ist ein für die Privatwirtschaft risikoloser Vertrag mit garantierten Gewinnmargen zustande gekommen – zu Lasten der Bevölkerung.

Aber selbst das genügt den Unternehmen noch nicht:
Auf der politischen Bühne werden parallel zu den Milliardengeschenken an die Atomindustrie vorraussichtlich auch die Fördermittel für die erneuerbaren Energien beschnitten, deren weiterer Ausbau massiv blockiert – die „Öko-Konkurrenz“ soll ausgeschaltet werden: Im Zuge der schwarz-gelben Energiepolitik müssen jetzt alle größeren Solar-/Wind-/Biogasanlagen ab einer Spitzenleistung von 100 KW einen „Ausschalter“ installieren – damit die Netzagentur den Vorrang für Kohle und Atom durchsetzen kann (sog. „Ferndrosselung“).

Die Förderung von Energiesparmaßnahmen für Gebäude wird heruntergefahren, die Ökosteuer für energieintensive Betriebe bleibt reduziert.

Sieht so der Übergang in das regenerative Zeitalter aus ?

Kein Wunder, dass solch ein Vertrag im Gesetzgebungsverfahren „durchgepeitscht“ werden muss, Anhörungen mussten auf wenige Stunden begrenzt, Abstimmungen vorgezogen worden – jede unbequeme Frage zu diesem einseitigen Vertrag sollte vermieden werden. So sieht intransparentes politisches Handeln aus - undemokratisch und die parlamentarischen Institutionen beleidigend.

Wir fordern: Ausstieg aus der Atomenergie, Ausbau der erneuerbaren Energie.
Macht mit!


[ Text aus dem "neckarwestheimer anti-atom-info 48 | 25.11. 2010" ]