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Stuttgarter Zeitung, 07.11.09

> Eine Frage der Vernetzung
> Ludwigsburg Die Stadt sucht die beste energiepolitische Lösung-und droht dabei ihre Unabhängigkeit zu verlieren. Von Verena Mayer

Vielleicht geht den Stadträten ja ein Licht auf, wenn sie heute Vormittag im Kornwestheimer Kleihues-Bau zusammen sitzen und sich allerlei Vorträge über Strom- und Energiewirtschaft anhören. Diese Hoffnung hat zumindest der Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec, der diese Informationsveranstaltung mit seiner Kornwestheimer Kollegin Ursula Keck initiiert hat. Die beiden sitzen im Aufsichtsrat ihrer gemeinsamen Stadtwerke Ludwigsburg- Kornwestheim und möchten alle anderen Aufsichts- und Stadträte auf einen einheitlichen Wissensstand zum Thema Stromkonzessionen bringen. Allerdings ist gut vorstellbar, dass den Kommunalpolitikern nach der Veranstaltung erst recht der Kopf raucht. Das Thema ist sehr komplex - und in Ludwigsburg ist es besonders komplex.

Das war nicht immer so. Vor vier Jahren noch hat Werner Spec erklärt, kommunale Lösungen seien in Energiefragen die "klar zukunftsweisenden". Seither wurden die hiesigen Stadtwerke immer aktiver. Sie handeln inzwischen selbst mit Strom, haben das Netz in Poppenweiler gekauft und sich mit den Kornwestheimer Stadtwerken vereinigt. Doch vor einem Jahr begannen die Komplikationen. Damals machten die Energieriesen EnBW und Süwag den Ludwigsburger Kommunalpolitikern klar, dass sie ihre hiesigen Niederlassungen und ihre Sponsoring-Aktivitäten nur dann aufrecht erhalten, wenn sie auch die Stromnetze behalten dürfen, deren Konzessionsverträge im Jahr 2012 auslaufen. Die Stadtwerke sollten diese also nicht selbst übernehmen wollen, sondern gemeinsame Sache mit der EnBW und der Süwag in einer Netzgesellschaft machen.

"Erpressung", möchte der OB das zwar nicht nennen, aber wären die Umstände andere, gestand Spec bei anderer Gelegenheit immerhin, "wäre für mich völlig klar, dass wir das komplett aus eigener Hand machen". Denn unabhängige Stadtwerke können mit dem Betrieb des Netzes selbst Geld verdienen. Doch nun gibt es schon wieder andere Umstände. Dieses Mal in Form einer Netzgesellschaft, die der Neckarelektrizitätsverband (NEV) ersonnen hat.

Demnach würden EnBW und Süwag ihre Stromnetze in eine neue Gesellschaft übertragen, an der außer den Konzernen auch die mit ihnen vernetzten Städte und der NEV beteiligt werden sollen. Im NEV sind 168 Kommunen und neun Landkreise zwischen Heilbronn und Reutlingen vertreten. Ludwigsburg ist die zweitgrößte Stadt in dem Verbund, also wichtig für das Modell - und Werner Spec sagt nun, er halte diese Alternative für "hochinteressant" und würde es "außerordentlich" bedauern, würde sie nicht hinreichend geprüft. Natürlich ausschließlich unter dem Aspekt, was für Ludwigsburg die "beste energiepolitische Lösung" wäre.

Es ist im Übrigen noch nicht allzu lange her, da schien die beste energiepolitische Lösung für Ludwigsburg die so genannte Stromehe der Stadtwerke mit der EnBW. Doch dann erklärten die Kommunalpolitiker unter der Regie des noch frisch amtierenden OB Spec die Verhandlungen über die strategische Partnerschaft für gescheitert - und begannen an einer eigenständigen kommunalen Lösung zu basteln. "Die Rahmenbedingungen haben sich geändert", sagt Werner Spec inzwischen, der gut weiß, dass sie sich auch für die Basketballer geändert haben.

Weniger, weil sie jetzt ihre neue Halle haben, eher weil ihr Hauptsponsor - die EnBW - sein finanzielles Engagement nur für eine Spielzeit verlängert hat.

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Stuttgarter Nachrichten, 07.11.09

> EnBW erhöht den Strompreis deutlich

Kunden in Sondertarifen müssen ab Januar durchschnittlich 7,5 Prozent mehr bezahlen - Energiefachmann: "Schritt ist grotesk"
 
Während die Nachfrage nach Energie sinkt, langt der Versorger Energie Baden- Württemberg (EnBW) beim Strom zu. Ab 1. Januar kommenden Jahres
steigen die Tarife für Hunderttausende Kunden im Land deutlich.

Von Walther Rosenberger

KARLSRUHE. Die Preiserhöhung betreffe ausschließlich EnBW-Kunden sogenannter Sonderverträge, teilte ein Konzernsprecher am Freitag mit. Ein durchschnittlicher Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3400 Kilowattstunden - etwa im EnBW-Tarif "Aktiv Privat" - zahlt so jährlich 56,64 Euro mehr für Strom. Der Konzern begründete die Tariferhöhung mit den Beschaffungskosten, die in den vergangenen Jahren angestiegen seien. Der Energieexperte Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher nannte die Preissteigerung "grotesk". "In einer Phase, in der die Beschaffungskosten für Strom seit einem Jahr dramatisch sinken, ist das nicht nachvollziehbar", sagte Peters dieser Zeitung.

Mit der neuerlichen Anhebung vollendet die EnBW die jüngste Strom-Preisrunde. Sie war im Juli dieses Jahres eingeleitet worden. Damals stiegen die Stromtarife für rund 1,5 Millionen Kunden der sogenannten Grundversorgung (EnBW Komfort) um 7,5 Prozent. Traditionell werden die Tarife für Sondervertragskunden mit einigen Monaten Verzug in gleicher Höhe angehoben.

Die Preiserhöhung kommt zu einer Zeit, in der der Energieverbrauch wegen der wirtschaftlichen Talfahrt stark zurückgeht. In den ersten neun Monaten dieses Jahres wurde rund sieben Prozent weniger Strom nachgefragt als im entsprechenden Vorjahreszeitraum, erklärte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Üblicherweise allerdings führt eine sinkende Nachfrage zu sinkenden Preisen. Deshalb wurde auch Gas billiger - bei der EnBW zuletzt Anfang Juli um 5,1 Prozent. Dass die EnBW beim Strom dennoch an der Preisschraube dreht, dürfte daran liegen, dass die Verbraucher bisher nur zögernd den Anbieter wechseln. Dadurch sinkt das Risiko des Energieriesen, durch Preiserhöhungen Kunden zu verlieren.


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