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Heilbronner Stimme, 05.02.10

> Solarbranche trägt Protest auf die Straße

Neckarsulm - 500 Mitarbeiter, Geschäftspartner, Kunden und Lieferanten hat Ralf Hofmann
gestern auf die Straße gebracht - genauer gesagt auf den Hof seiner Kaco New Energy
GmbH in Neckarsulm. Zur symbolträchtigen Uhrzeit um fünf vor zwölf demonstrierten sie
gegen die von der Bundesregierung angekündigte Kürzung der Einspeisevergütung um 15
Prozent zum 1. April. "Das kommt einer kompletten Zerschlagung der Branche gleich", sagte
Hofmann. Auch die rund 400 Kaco-Arbeitsplätze in Neckarsulm seien "massiv gefährdet",
wenn die Bundesregierung ihre Pläne umsetzt. "Wir werden uns nicht kampflos die Köpfe
abschlagen lassen."

Doppelschlag

Es entstehe der Eindruck, so Hofmann in seiner vergleichsweise zurückhaltenden Rede,
"dass in einem koordinierten Doppelschlag aus unbegrenzter Laufzeitverlängerung für
Atomkraftwerke und Zerschlagung der deutschen Photovoltaikindustrie die Energiewende
gestoppt werden soll". Hofmann warf den Gegnern seiner Branche vor, "mit falschen Zahlen
und wohldosierter Desinformation gegen unsere Arbeitsplätze zu schießen". Um die
Auswirkungen der Kürzung anschaulich zu machen, ließ er ein Photovoltaikmodul und zwei
Wechselrichter mit einem Hammer traktieren.

Neckarsulms Sonnenenergievorkämpfer und Bürgermeister Klaus Grabbe erinnerte in seiner
Rede an den Grund, warum sich Neckarsulm zur Solarstadt gewandelt hat: "Klimaschutz darf
kein Lippenbekenntnis sein", sagte er. "Eine zweistellige Absenkung der Förderung würde
das Aus für viele Firmen bedeuten und das Aus für die Technologieführerschaft der
deutschen Solarbranche." Mehr als 50 000 Arbeitsplätze stünden bundesweit auf dem Spiel.
"Es klingt wie Realsatire, aber es ist bitterer Ernst".

Die Demonstration in Neckarsulm war Teil eines bundesweiten Aktionstages des
Branchenverbands Solarwirtschaft, an dem sich unter anderem auch die Firmen Widmann
Solartechnik aus Neuenstadt, Haug aus Nordheim und Würth Solar aus Schwäbisch Hall
beteiligten. Neben den Solarfirmen demonstrierten mit Kaco auch Zulieferer wie der
Gehäusehersteller CNC aus Ilsfeld und EBM-Papst aus Mulfingen sowie die Kreissparkasse
und die BW-Bank. Auch Vertreter des Bündnisses Energiewende und Kommunalpolitiker wie
Roland Stammler (SPD) aus Neckarsulm und eine Heilbronner Delegation mit Tanja
Sagasser (SPD), Wolf Theilacker (Grüne) und Heiner Dörner (Freie Wähler) waren vor Ort.

> Kommentar: Energiewende

Von Stimme-Redakteur Manfred Stockburger

Beim Streit um die Förderung der Solarbranche geht es oberflächlich betrachtet um Geld.
Über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) werden in Zeiten klammer Kassen Milliarden
umverteilt. Weil die Gelder über die Stromrechnung und nicht über das Finanzamt
eingesammelt werden, belastet das EEG die Staatskasse aber nicht. Vielmehr kassiert der
Fiskus kräftig mit, weil die Solarbranche dank Förderung profitabel und wachstumsstark ist.
Das kann derzeit wahrlich nicht von allen Industrien behauptet werden.

In Wirklichkeit geht es bei dem Streit um die Frage, ob der Strom künftig aus dem Atomdorf
Neckarwestheim oder aus der Solarstadt Neckarsulm kommen soll. Und damit um
Arbeitsplätze und um Investitionen. Wenn die alte Atomkraft tatsächlich wieder die Energie
der Zukunft sein soll, dann muss in Neckarwestheim investiert werden und nicht in
Neckarsulm. Nur: Das sagt in der Politik niemand. Stattdessen werden lieber Subventionen
angeprangert. Deren Kürzung lässt sich leichter verkaufen als die Beerdigung der jungen,
florierenden Photovoltaik-Branche - wenngleich die angekündigte Kürzung im Ergebnis
genau darauf hinausläuft.


[ Fotos zur Aktion hier / link zum Artikel:
http://stimme.de/heilbronn/nachrichten/region/art16305,1758750
Radio-Interview:
http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=31969 ]

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Stuttgarter Zeitung, 05.02.10

> Kürzung treibt Elektriker von den Dächern
> Besigheim: Solarfirmen aus der Region ärgert die Senkung der Einspeisevergütung und
deren Umsetzung.

Von Daniel Völpel

Ausgerechnet gestern musste die Sonne scheinen: Seit Wochen hoffen Solarfirmen auf
besseres Wetter, um wieder Photovoltaik-Anlagen auf Dächer montieren zu können. Doch
für den Donnerstag hatte der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) zu einem
Protesttag aufgerufen. Trotz des idealen Arbeitswetters gingen bundesweit Mitarbeiter von
mehr als 35 Solarunternehmen mit 20 000 Beschäftigten "gegen die radikalen
Kürzungspläne" auf die Straße, auch in Besigheim. Rund 50 Mitarbeiter aus vier Betrieben
trafen sich um fünf vor 12 Uhr im Hof von Blasenbrei & Schrader Solar, um bei strahlendem
Sonnenschein symbolisch unter den Solarmodulen Schutz zu suchen und die Werkshalle
abzuschließen.

Hintergrund der Proteste ist ein Plan von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), die
Vergütung für eingespeisten Strom aus Photovoltaik-Anlagen von Hausdächern vom 1. April
an um 15 Prozent abzusenken. Nur wer seine Anlage bis zum 31. März betriebsbereit aufs
Dach bekommt, erhält für die kommenden 20 Jahre die garantierte Vergütung von zurzeit
39,14 Cent pro Kilowattstunde.

Dies stellt die Betriebe vor Probleme: "Wir haben Aufträge bis Mitte des Jahres zu
Festpreisen abgeschlossen", erklärt Heinrich Blasenbrei, einer der drei Geschäftsführer von
Blasenbrei & Schrader. Sollte die Kürzung kommen, blieben den Kunden nur zwei
Möglichkeiten: "Entweder sie sagen ab, oder sie bestehen auf Lieferung bis zum 31. März."
So sieht es auch Peter Haug, der Inhaber der Haug Solar- und Elektrotechnik aus Nordheim:
"Auf uns rollt eine Stornierungslawine zu." Denn bislang rechneten die Monteure ihren
Kunden vor, dass sich eine Anlage nach zehn Jahren amortisiert. Dies ließe sich nach Haugs
Einschätzung mit der gekürzten Einspeisevergütung nicht mehr halten.

In Richtung der Politik will Blasenbrei mit dem Protest eine grundsätzliche Botschaft senden:
"Uns ist es wichtig, dass wir zum Ausdruck bringen, welche Auswirkungen das auf
Arbeitsplätze weit über unsere Branchengrenzen hinaus hätte." Peter Haug führt als Beispiel
an, dass er in den vergangenen fünf Jahren allein Fahrzeuge im Wert von 250 000 Euro
angeschafft habe. "Vom kleinen Dorfelektriker zur 17-Mann-Firma, das ist die Entwicklung,
die mein Betrieb mit der Photovoltaik genommen hat", sagt er.

Heinrich Blasenbrei befürchtet den Abstieg der Sonnenbranche vom Wachstumszenit der
vergangenen Jahre: "Wenn die Kürzung durchgehen sollte, rechnen wir mit so starken
Einbußen, dass wir niemanden mehr einstellen könnten und wahrscheinlich Personal
abbauen müssten." Allein sein bereits bezahlter Lagerbestand verliere am 1. April 15 Prozent
an Wert.

Peter Haug stört zudem die Art der politischen Diskussion: "Wenn man sagt, man kürzt bei
einem Wirtschaftszweig, der in den vergangenen Jahren viel Geld bekommen hat, würde ich
das als Bürger verstehen. Die Kürzung bringt dem Bundeshaushalt aber keine Entlastung, im
Gegenteil, es wird ein Wirtschaftsfaktor gelähmt, der nicht schlecht Steuern zahlt." Die
Einspeisevergütung für Solarstrom zahlten alle Stromkunden mit ihren Gebühren, sie schlägt
laut Haug mit etwa 1,5 Cent pro Kilowattstunde zu Buche.

Der Unternehmer Haug wehrt sich nicht grundsätzlich gegen eine Verringerung der
Subventionen. "Wir kommen klar mit 15 Prozent, aber nicht so schlagartig und nicht in einem
Schritt." Verschiebe die Bundesregierung die Kürzung der Förderung auf 1. Juli, "dann
müssten wir mit keinem Kunden anders umgehen als besprochen", sagt Heinrich Blasenbrei.

Die Angst um ihre Branche veranlasste deshalb die eigentlich konkurrierenden Betriebe zu
der gemeinsamen Aktion. Größter Teilnehmer in Besigheim war die Endreß & Widmann
Solar aus Neuenstadt/Kocher mit rund 40 Beschäftigten. Aus Stuttgart beteiligte sich die
Widmann & Götz Solar GmbH. Drei weitere Firmen aus Stuttgart und dem Kreis
Ludwigsburg hatten kurzfristig abgesagt: Sie nutzen den Sonnenschein zur Arbeit auf dem
Dach.

05.02.2010 - aktualisiert: 05.02.2010 06:04 Uhr

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