Stellungnahme zu den aktuellen Regierungsbeschlüssen
(01.06.11) Angesichts der schrecklichen Ereignisse in Fukushima sieht sich die Bundesregierung zu einer aus ihrer Sicht radikalen Wende in der Atompolitik gezwungen. Die sieben Uralt-AKWs, die mit dem 3-monatigen Moratorium in Folge von Fukushima abgeschaltet wurden, sollen jetzt dauerhaft stillgelegt werden – dazu noch der bereits länger abgeschaltete Pannenreaktor Krümmel. Für die Menschen in der Anti-AKW-Bewegung ein Grund zur Freude! Denn diese Stilllegungen sind die Folge von ausdauernden und z.T. massenhaften Protestaktionen – auch hier am Standort Neckarwestheim!
Aber: Es gibt keinen Ausstieg aus der Atomenergie – und er wird auch nicht, wie von der Regierung jetzt versprochen, im Jahr 2022 stattfinden.
Mit der sich jetzt abzeichnenden Regelung wird den Atomkonzernen wieder das Instrument „Stromkontingente“ zur Hand gegeben; es gibt keine festen Abschalttermine, und mit den „Restrommengen“ dürfte es den Betreibern , wie in der Vergangenheit bewiesen, ein leichtes sein, alle verbleibenden 9 AKW über die nächsten 10 Jahre zu bringen. So wird es kein stufenweises Abschalten geben – und in 10 Jahren beginnt das „Spiel“ um Strommengenknappheit, Blackouts und Brückentechnologie von vorne... – das Ganze natürlich von PR-Maßnahmen begleitet, wie sie bereits jetzt stattfinden – Diskussionen um Gutachten und Prognosen über steigende Stromknappheit, Stromlücken, teure Strompreise, schmutzige Stromimporte, Klimakiller, Gefährdung des Wirtschaftsstandorts etc. .
Bewusst ausgespart wird in dieser öffentlich ausgetragenen Diskussion der einzig gangbare Weg: Der radikale und sofort forciert beginnende Umbau der Energieversorgung hin zur einer Energiewende mit regenerativen und erneuerbaren Produktionsformen, gekoppelt an ein hohes Maß an Energieeffizienz und dezentralen Erzeugungsstrukturen in Bürger_innenhand – und natürlich der sofortige Verzicht auf jeglichen Atomstrom.
In der Diskussion um die Machbarkeit der sofortigen Stilllegung aller Atomanlagen müssen immer wieder die durch nichts vertretbaren Risiken und Gefahren, die von den Atomanlagen für Mensch und Umwelt ausgehen, angesprochen werden.
Kein Mensch möchte ein „Restrisiko“ tragen, welches ihm sein Leben kosten kann, oder ihm seine Lebensgrundlage entziehen. Ob dieser Fall eintreten kann auf Grund von „unvorhersehbaren“ Ereignissen, Erdbeben, Flugzeugabstürzen, nicht beherrschbarer Technik oder einfach menschlichem Versagen, ist dann egal. Genauso wenig ist es hinnehmbar, dass für den scheinbaren Wohlstand hier Menschen in Uranabbau-Gebieten ihrer Existenz beraubt werden, indem weite Landstriche verseucht werden und gleichzeitig die Menschen vom Uranabbau abhängig gemacht werden. Nicht hinnehmbar ist es, Tag für Tag weiter hochradioaktiven Atommüll zu produzieren, für den es weltweit keine Lösung einer sicheren Verwahrung gibt und mit dem die Probleme einfach künftigen Generationen aufgebürdet werden.
Motor des jetzt wieder beschlossenen AKW-Weiterbetriebs sind die Interessen der vier Atomkonzerne RWE, EON, Vattenfall und EnBW. Strom ist eine Ware, mit der immens viel Geld verdient wird. Hier wird mit Lobbyarbeit, PR-Aktionen und mächtigen Werkzeugen um die Macht gestritten.
Es darf bezweifelt werden, dass sich die sogenannten „atomkritischen“ Parteien diesem Streben nach Machterhalt letztlich entziehen werden. Dies lässt sich auch an Beschlüssen zum „machbaren Atomausstieg“ bis 2021 (alter Konsens + SPD heute), 2017 (Grüne) oder 2014 (Linke) feststellen. Fukushima hat wieder gezeigt: Atomkraft ist eine nicht beherrschbare Technologie. Deshalb ist die einzige vertretbare Konsequenz daraus die sofortige und endgültige Stilllegung aller Atomanlagen!
Für die Anti-AKW-Bewegung ist jetzt entschlossenes Engagement für die sofortige Stilllegung eines jeden noch im Betrieb befindlichen AKW angesagt. Jetzt gilt es wieder, nicht der nebulösen Beschwichtigungslüge „beschlossener Atomausstieg“ auf den Leim zu gehen.
Nur der Druck von der Straße ändert etwas an den gesellschaftlichen Verhältnissen – und diesen Druck gilt es jetzt zu erhöhen. In der Frage des Atomausstiegs heißt die Konsequenz jetzt „Vom Protest zum Widerstand“.
In diesem Sinne ruft das Aktionsbündnis mit der bundesweiten Anti-AKW-Bewegung nach zahlreichen (Groß-) Demonstrationen jetzt zu Massen-Blockaden direkt an den Atomkraftwerken auf – so in Brokdorf an Pfingsten und ab dem 13. August am AKW Neckarwestheim 2.
Wir lassen uns nicht weiter beschwichtigen – AKW-Stilllegungen durchsetzen – Jetzt!
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