Fukushima mahnt - jetzt handeln! Demo 09.März 2013

b_215_215_16777215_0_0_images_stories_akt13_130309-demo-fukushima_130912-tagesschau.jpgIm Artikel findet Ihr die TV-Beiträge über die Demo sowie Presseberichte, die online publiziert wurden.





  • SWR Landesschau BaWü vom 9.3.13:

  • ARD Tagesschau/Tagesthemen 9.3.13:

Neckarwestheim: AKW-Gegner protestieren am Jahrestag von Fukushima

Mit einem Protestmarsch zum Atomkraftwerk Neckarwestheim haben Tausende Menschen an die Atomkatastrophe von Fukushima vor zwei Jahren erinnert. Ein Vertreter des BUND kritisierte, dass nur über die Kosten der Energiewende diskutiert werde, nicht aber über die des Atomunfalls.

Nach Angaben des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) kamen am Samstag 3.000 Teilnehmer, die Polizei sprach von etwa 1.500. Die Demonstranten forderten den sofortigen Atomausstieg und mehr Bemühen um eine dezentrale Energiewende.

"Nicht das Leid, die Folgen und die Kosten des Atomunfalls in Fukushima stehen im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte, sondern die Kosten der Energiewende", sagte BUND-Regionalgeschäftsführer Axel Mayer laut einer Mitteilung. CDU, CSU und FDP würden sich im Wahlkampf als Energiepreisdrücker, als Vertreter der kleinen Leute darstellen. "Aber in Wirklichkeit nimmt jedes privat finanzierte Windrad, jede Solaranlage der Atomlobby Macht und Geld."

Mayer kritisierte auch die grün-rote Landesregierung: "AKW-Katastrophenschutz ist Ländersache. Der heutige Katastrophenschutzplan mit seinen lächerlich kleinen Evakuierungsradien ist aber allenfalls Kataströphchenschutz." Wenn es ein unlösbares Problem sei, einen ernsthaften Katastrophenschutz einzuführen, bleibe das sofortige Abstellen die einzige Lösung.

Großdemo gegen Atomkraft

Von Rolf Muth

Kirchheim/Neckarwestheim - Tausende gelber Luftballone steigen in den Himmel. Ein laues Lüftchen treibt sie gen Nord-Osten, knapp an Heilbronn vorbei Richtung Löwensteiner Berge. Das ist kein harmloser Luftballonwettbewerb der Neckarwestheimer Schulklassen: Die Aktion ist eine sichtbare Demonstration, wohin eine Atomwolke nach einem Unfall im Kernkraftwerk ziehen würde.

Gegen das Vergessen, gegen die Energielobby und gegen Atomkraft protestieren vor den Toren der EnBW in Neckarwestheim 3000 Kernkraftgegner (laut Polizei 1500) zum zweiten Jahrestag der Atomkatastrophe von Fukushima. 170 Kilometer entfernt des havarierten japanischen Atommeilers sei noch Strahlung gemessen worden, erinnert Stefan Mende-Lechler von der Bürgerinitiative AntiAtom Ludwigsburg.

Die Bevölkerung in den Regionen Heilbronn und Stuttgart sei aufgrund eines "völlig unzureichenden Katastrophenschutzes" auf sich alleine gestellt, wettert BUND-Regionalgeschäftsführer Axel Mayer. Im 40-Kilometer-Radius des Atommeilers lebten 2,7 Millionen Menschen, sagt er. Mayer kritisiert die grün-rote Landesregierung wegen mangelnder Evakuierungspläne.

Diese habe Grün-Rot zwar von der Vorgängerregierung so übernommen, räumt er ein. Sie seien aber auch nicht konsequent verbessert worden. Und er schimpft auf die Landesregierung, weil die landeseigene EnBW, auch Betreiber des Kernkraftwerks Neckarwestheim, sich an der "Aufhübschung" des französischen Atommeilers Fessenheim beteilige. Mayer fordert Einzelinitiative ein: Jedes privat finanzierte Windrad, jede Solaranlage schmälere die Macht und den Profit der Atomlobby.

Fukushima − dieser Unfall sei keineswegs die Folge einer Naturkatastrophe, sagt Tomoyuki Takada. Der seit 30 Jahren in Deutschland lebende Gründer der Organisation "AtomfreeJapan" hat japanische Wurzeln. Sein Vater stammt aus Hiroshima. Die Großeltern wurden von der Atombombe der Amerikaner im Zweiten Weltkrieg getötet. "In Deutschland gibt es ein großes Hoffnungspotential", sagt er mit Blick auf eine jahrzentelange Demonstrationskultur anti Atom und die eingeleitete Energiewende. In Japan seien Kernkraftgegner hingegen jahrzehntelang von den Nachbarn gemieden worden, seien isoliert gewesen. Noch heute würden Kundgebungen von der Polizei eingekesselt. "Japan hat nicht diese große Demonstrationsfreiheit."

Takada ist erschüttert, wie die nicht sichtbare Strahlung aus den Köpfen seiner Landsleute ausgeblendet wird. Wie sie in Fukushima weiterleben, obwohl die Bedrohung allgegenwärtig ist. "Fukusima ist längst nicht vorbei", sagt der Deutsch-Japaner mit Blick auf den desolaten Block vier, in dem 1534 abgebrannte Brennelemente im Abklingbecken lagern.

"Bei einem Erdbeben wird dieser Block zusammenbrechen", die von der Kernschmelze bedrohten anderen Reaktoren seien dann nicht mehr zugänglich. "Dann ist ganz Japan nicht mehr bewohnbar." Dass sich die japanische Regierung dennoch von der Atomlobby unter Druck setzen lässt, die Reaktoren wieder hochzufahren, entsetzt ihn. "Abschalten", ruft er − mit geballter Faust, die er in die Höhe streckt.

"Atomausstieg und Energiewende kommen nicht von alleine, auch nicht bei einer grün-roten Landesregierung; sie kommen von unten und müssen engagiert und wachsam erkämpft werden", wendet Franz Wagner von der Energiewende Heilbronn den Blick auf die Energieanlage direkt in Nachbarschaft zur Großdemonstration. "Manche Menschen glauben, dass Strahlung unter einer grün-roten Regierung weniger gefährlich sei", fordert er Wachsamkeit. Und kritisiert das Land als Eigentümer, weil der Neckarwestheimer Atommeiler noch bis 2022 laufen soll: "Geld ist offenbar wichtiger als Sicherheit."


NECKARWESTHEIM, 11. MÄRZ 2013

Protestzug erinnert an Fukushima

Demonstrationszug gegen Atomkraft zieht von Kirchheimer Bahnhof nach Neckarwestheim

Rund 2500 Kernkraftgegner haben am Samstag bei einer Demonstration vor dem GKN die sofortige Abschaltung aller deutschen Kernkraftwerke gefordert.

Auf seinem Marsch vom Bahnhof Kirchheim zum GKN stockt der Zug: "Sperrzone" heißt es auf großen Plakaten. Und: "Zur Dekontamination - Männer links, Frauen und Kinder rechts". Auf der Wiese liegen verstreut Plastikleichen, ein Mann klimpert auf der Gitarre. Nach einer kurzen Gedenkpause geht es unter dumpfem Trommelklang der Stuttgarter Gruppe "Lokomotive" den letzten Kilometer hinab zum Parkplatz vor dem Doppelkernkraftwerk, wo bereits die Infostände der Atomgegner und Energiewender aufgebaut sind.

 Auffallend viele Stuttgart-21-Gegner sind unter den Demonstranten aller Altersklassen. Denn der Protest richtet sich zwar unmittelbar gegen den weiteren Betrieb von GKN II, doch grundsätzlich sind die Aktivisten auch gegen "alle unnützen Großprojekte", den Berliner Großflughafen inklusive.

 Der Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar und der BUND haben anlässlich des zweiten Jahrestags der Atomkatastrophe von Fukushima zusammen mit einem halben Dutzend anderer Verbände und vielen anderen Unterstützern zur Großdemo aufgerufen. "Fukushima mahnt. Jetzt handeln" heißt es auf überdimensionalen Transparenten. Gefordert wird die sofortige Abschaltung aller Kernkraftwerke hierzulande. Beschworen wird aber auch die Solidarität mit den japanischen Atomkraftgegnern, die bereits zwei Jahre nach dem Fiasko vom 11. März 2011 einen fast aussichtslosen Kampf gegen das geplante Wiederanfahren von weiteren 54 Atommeilern führen. Die Empörung darüber ist groß. Auch in Deutschland seien reaktionäre Kräfte bestrebt, über das Jahr 2022 hinaus Kernkraftwerke am Netz zu lassen, heißt es warnend.

 Nachdem hunderte Luftballons in den frühlingsblauen Himmel gestiegen und über Neckarwestheim davongezogen sind, um symbolisch aufzuzeigen, wie schnell sich eine Nuklearwolke übers Land ausbreitet, mahnt Axel Mayer vom BUND Freiburg den amtierenden Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann: "Stellen Sie die alten Kisten in Baden-Württemberg ab." Auch fordert er neue Katastrophenschutzpläne, da die alten ihr Papier nicht wert seien. Allein in der Region um Stuttgart seien 2,7 Millionen Menschen gefährdet, wenn es zu einem GAU kommt. Großen Beifall erntet Tomoyuki Takada von "Atomfree Japan" für seinen eindringlichen Appell, im Kampf gegen die Atomlobby nicht nachzulassen. Der Germanist lebt zwar schon seit 30 Jahren in Deutschland, ist jedoch zusammen mit seiner deutschen Frau Eva aktiv in der japanischen Anti-AKW-Bewegung in Kyoto tätig. Auf Deutsch und Japanisch wurde deshalb auch via YouTube von Neckarwestheim aus eine Solidaritätsadresse nach Kyoto geschickt: "Uns eint die gemeinsame Einsicht, dass die zivile wie auch die militärische Atomtechnik eine Geißel der Menschheit ist." Und: "Es ist unsere Aufgabe, die Gesundheit unserer Kinder und deren Nachkommen zu schützen."

 Mitveranstalter Franz Wagner vom "Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn" erinnert anschließend daran, dass das Gedenken an die Fukushima-Katastrophe nicht nur in Neckarwestheim, sondern zeitgleich auch in Gundremmingen und Greifswald, Philippsburg und Freiburg, in Frankreich und in Belgien begangen wird. "Der Atomausstieg kommt nicht von allein", mahnt er eindringlich. Der Ausstieg auch der deutschen Kernkraftwerke müsse vor dem Jahr 2022 erfolgen.


Fukushima-Jahrestag

Protestzug mit Luftballons /  Rund 3000 Menschen haben am Samstag gegen das Atomkraftwerk in Neckarwestheim demonstriert

 Alles verläuft friedlich. Nur der Verkehr zwischen Kirchheim und der Autobahn kommt zum Erliegen. „Fukushima mahnt – jetzt handeln!“ war das Motto der Demonstration mit Kundgebung zum zweiten Jahrestag der Atomkatastrophe in Japan. Organisiert hatte den Protest der Träger- und Unterstützerkreis „Endlich abschalten“.

 Es war wie immer: Am Bahnhof Kirchheim setzt sich der Demonstrationszug mit Fahnen, Transparenten und lauter Musik in Bewegung. Die Polizei eskortiert die Masse Menschen. Mitarbeiter der Straßenmeisterstelle hatten für Absperrungen auf den Straßen gesorgt. Gemeinsam überqueren alle die Neckarbrücke. Auf halber Strecke wird mit einer Installation daran erinnert, dass wirksamer Katastrophenschutz im Falle eines GAUs nicht möglich sei.

 Zum Gedenken an die Katastrophe in Japan waren die symbolischen Kraniche und eine Gedenk-Tagebuchaktion aufgebaut. Mit einem gemeinsamen Start von 500 Ballons wollten die Teilnehmer der Demonstration simulieren, wie sich eine radioaktive Wolke nach einem AKW-Unfall ausbreitet.

 Zu den Demonstranten sprachen Franz Wagner vom Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn, Tomoyuki Takada, der Gründer der Organisation AtomfreeJapan, und Axel Mayer, Regionalgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland.

 Mayer forderte Ministerpräsident Kretschmann auf, dafür zu sorgen, dass die „alten Kisten in Baden-Württemberg abgestellt werden“. Mayer erinnerte den grünen Ministerpräsidenten daran, dass „AKW-Katastrophenschutz Ländersache“ sei. Die Pläne hätten die Regierung zwar von ihrer Vorgängerin übernommen, sie seien aber nicht konsequent verbessert worden.

 „Nicht das Leid, die Folgen und die Kosten des Atomunfalls in Fukushima stehen im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte, sondern die Kosten der Energiewende“, sagte Mayer. CDU, CSU und FDP würden sich im Wahlkampf als Energiepreisdrücker, als Vertreter der kleinen Leute darstellen. „Aber in Wirklichkeit nimmt jedes privat finanzierte Windrad, jede Solaranlage der Atomlobby Macht und Geld und das ist gut so.“

 Die Kundgebung vor dem Tor des Kernkraftwerks erreichte ihren Höhepunkt, als die Demonstranten abwechselnd deutsch und japanisch skandierten „Abschalten“ und „Dame Dame Genpatsu“.

 Zuvor hatte der Japaner Tomoyuki Takada, der schon über 40 Jahre in Deutschland lebt, darüber berichtet, wie die Menschen in Fukushima weiterleben und die Gefahr nicht sehen wollen. „Fukushima ist längst nicht vorbei“, sagt der Japaner. Der Unfall sei nicht die Folge einer Naturkatastrophe, wie die staatlichen Stellen wissen machen wollen. „Er ist vielmehr die Folge eines politischen und gesellschaftlichen Versagens.“ Atomenergie und Atompolitik stünden für ein System, das sich gegen das Lebenswerte des menschlichen Lebens und die Freiheit des Einzelnen wende.

 Franz Wagner betonte, die Energiewende komme „von unten“. Er forderte seine Zuhörer auf, den Atomausstieg weiterhin „engagiert und wachsam zu erkämpfen“. „Manche Menschen glauben, dass Strahlung unter einer grün-roten Regierung weniger gefährlich sei“, sagte er und kritisiert das Land als Eigentümer, weil GKN II noch bis 2022 laufen soll.