Am Samstag,den 08.11.2008 ketteten sich drei Anti-Atom-AktivistInnen auf der Castorstrecke bei Wörth - kurz hinter der deutsch-französischen Grenze - in einem Beton-Lock-On unter den Gleisen fest. Während der 12 Stunden, die die Polizei brauchte, um die AktivistInnen aus dem Gleis zu holen, musste der Zug in Lauterbourg warten.
Diese Aktion richtete sich nicht alleine gegen Castortransporte und Atomindustrie, sondern sollte auch zur Diskussion über Aktions- und Organisationskonzepte anregen.
[ Artikel von Indymedia, Pressemitteilung und politische Erklärung zur Castorblockade ]
Artikel im Orginal:
http://de.indymedia.org/2008/11/232973.shtml?c=on#c537485
Video-Doku zur Blockade in Berg:
http://www.cinerebelde.org/castor-2008-gleisblockade-berg-lauterburg-p-80.html
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Chronologie und Technik
Im Vorfeld der Aktion waren uns eine intensive Vorbereitung und fundierte Informationen sehr wichtig, um die Gefährdung aller Beteiligten auszuschließen.
Gegen 13 Uhr wurde die Polizei vom Stopperteam, das es sich zur Aufgabe gemacht hatte, den Zug rechtzeitig vor dem Aktionsort zum Halten zu bringen, darüber informiert, dass sich Menschen an das Gleis gekettet hatten. Die ersten Beamten, die am Aktionsort eintrafen, waren mit der Situation überfordert und vermuteten unter anderem, dass die drei AktivistInnen sich mit Packetschnur und Doppelknoten festgemacht hatten.
Erst als weitere Polizeieinheiten eintrafen, begriffen diese, dass sich die drei Personen tatsächlich im Gleisbett festgekettet hatten. Dass es sich um drei - in einem unter den Schienen versteckten Betonklotz verankerte - Plastikrohre handelte, in denen die AktivistInnen sich mit einem Schloss an einer Kette an einem dort fixierten Steg befestigten, stellten jedoch erst später die Technischen Einheiten fest.
Der Bereich wurde großflächig abgesperrt, die Presse musste 50 Meter Abstand halten. Inzwischen befanden sich ca. 50 bis 100 Polizeibeamte am Aktionsort. Nach Eintreffen der technischen Einheit wurden die Bezugspersonen der Festgeketteten - entgegen der vorhergehenden Zusage, dass diese zwar den Sicherheitsbereich verlassen müssten, aber in der Nähe bleiben dürften - gewaltsam entfernt. Da es für die Sicherheit und das Befinden der Festgeketteten wichtig ist Vertrauenspersonen vor Ort zu haben, trug diese frühzeitige Ingewahrsamnahme zu einem erhöhten physischen und psychischen Risiko für die AktivistInnen bei. Ebenso kritisieren wir, dass die mitgebrachten Nahrungs- und Getränkevorräte der AktivistInnen als "Fundstücke" deklariert wurden und diesen die gesamten 12 Stunden über verweigert wurden.
Das technische Team untersuchte die Rohre mit Endoskophen, um die Ankettvorrichtung zu untersuchen. Dieser Vorgang dauerte etwa eine Stunde und verlief ergebnislos. Für die eigentliche Arbeit verwendeten die Technischen Einheiten vor allem Presslufthämmer und Bohrhämmer mit Meißelaufsatz. Doch auch die Flex kam immer wieder zum Einsatz, da sich im Beton offensichtlich auch Metallstäbe, Drähte, Autoreifen und Kleinteile wie zum Beispiel Schraubenschlüssel befanden. Dies führte auch dazu, dass das Werkzeug ziemlich häufig gewechselt werden musste und sich die Beamten oft nicht über ideale Vorgehensweisen einig waren.
Erst nach 6 Stunden konnten sie den ersten Aktivisten aus der Vorrichtung lösen. Bei den beiden anderen dauerte es sogar 10 bzw. 12 Stunden. Trotz geschwächtem Gesamtzustand wurde den Festgeketteten von Polizeisanitätern Gewahrsams- und Transportfähigkeit bescheinigt. Der Gewahrsam dauerte für sie - wie auch für die frühzeitig festgenommenen Vertrauenspersonen - bis etwa 5 Uhr morgens. Durch diese Aktion erreichte der Zug das Wendland mit 12 bis 14 Stunden Verspätung, wo weitere Blockaden auf ihn warteten.
Atomkraft ist keine Lösung gegen den Klimawandel!
Die großen Stromkonzerne, ihre Lobbyisten und auch EnergiepolitikerInnen bewerben die Atomkraft als Lösung gegen den Klimawandel und präsentieren gleichzeitig "moderne" Kohlekraftwerke als Alternative zur Atomkraft. Beide Technologien widersprechen unserer Vorstellung einer nachhaltigen Energieversorgung.
Atomkraft ist durch die nach wie vor vorhandene Störfall-Gefahr, den Jahrtausende strahlenden Müll, die ungeklärte Endlagerfrage inakzeptabel. Hinzu kommen die vielen Todesfälle durch Unfälle und durch die beim Uranabbau freiwerdende Strahlung. Auch die militärische Nutzung radioaktiven Materials steht durch das bei der Wiederaufbereitung anfallende Plutonium unweigerlich in Zusammenhang mit dem Betrieb von Atomkraftwerken.
Kohle ist als klimaschädlichste Energiequelle keine Alternative.
Unsere Alternative ist der Aufbau einer dezentralen Stromerzeugung aus regenerativen Energien. Stromkonzerne und zentrale Stromnetze müssen durch vielfältige Einzelinitiativen und selbstorganisierte Projekte abgelöst werden.
Jede_r einzelne ist gefordert, bewusst zu entscheiden, woher der Strom, den er oder sie, nutzt kommen soll. Jede_r einzelne kann durch einen nachhaltigeren und bewussteren Umgang mit Energie dazu betragen, dass dieses System der maximalen Bequemlichkeit, des maximalen Wachstums, der maximalen Profite für wenige nicht länger Bestand hat. Und jede_r einzelne kann Möglichkeiten entwickeln sich diesem System und seinen Symtomen direkt entgegen zu stellen.
Dezentrale Aktionen mit selbstorganisierten Aktionsgruppen
Oft passiert es dass viele Menschen, viele bunte Aktionen machen und am Ende wenige Menschen mit bekannten Gesichtern im Namen aller AktivistInnen reden. Bei dem Versuch die Vielfalt auf einen Nenner zu bringen, werden Inhalte häufig stark verkürzt und viele Gründe, warum die Aktionen stattfanden, werden gar nicht erst erwähnt.
Mit unserer Aktion wollen wir auch zeigen, dass gut organisierte Kleingruppenaktionen, bei denen die Aktivisten sich selber um die Vermittlung kümmern, möglich sind. Wir wollen zur Diskussion darüber anregen, wie sich effektiver Widerstand außerhalb der Muster der Herrschenden am besten organisieren lässt.
Die Aktion zeigt auch, dass es sinnvoll sein kann, den Widerstand nicht auf das Wendland zu beschränken, sondern ihn auch geografisch in die Breite zu ziehen. Wenn die Polizei mit Aktionen auf der gesamten Strecke rechnen muss, wird sie nicht mehr genügend Kräfte bereitstellen können und das Durchkommen zu den Gleisen wird wahrscheinlicher. Überregionaler Widerstand ist nötig: nicht nur beim Castor, sondern auch an anderen Stellen wie bei Uran-Transporten oder auf Kraftwerksbaustellen!
Know-How ist in vielfälter Form vorhanden – lasst es uns nutzen!
Unterstützung und Spenden
Gegen die AktivistInnen wird wegen Nötigung, gefährlicher Eingriff in den Schienenvekehr und gemeingefährlicher Sachbeschädigung ermittelt. DAs heißt es wird auf jeden Fall Prozesse geben.
Wenn ihr uns unterstützen wollt, kommt zu den Prozessen, oder Spendet auf folgendes Konto:
"Spenden und Aktion"
Betreff Gleisblockade
Kontonummer: 92881806
BLZ: 51390000
Volksbank Mittelhessen
Presseerklärung zur Blockade des Castortransportes
Am gestrigen Samstag, den 8.11.08 ,12.45 Uhr hat eine Gruppe junger Menschen den Atommüllzug kurz hinter der französisch-deutschen Grenze zum Stehen gebracht. Drei von ihnen ketteten sich an einem Betonblock im Gleisbett fest. Sie wollen den Transport von hochradioaktivem Atommüll ins niedersächsische Zwischenlager Gorleben nicht einfach hinnehmen.
Ihren Protest begründen die BlockiererInnen mit der immensen Bedrohung durch die Atomindustrie - angefangen bei der gefährliche Gewinnung und Aufbereitung von Uran, über das unabschätzbare Risiko, wie es atomare Unfälle in der Vergangenheit zeigten, bis zum ungelösten Endlagerproblem. Sarah, eine der AktivistInnen meint dazu:
“Der Müll in diesen Castorbehältern wird noch Hunderttausende von Jahren strahlen. Solange wir keine sichere Lösung für ihn haben, ist es absolut unverantwortlich, zukünftige Generationen damit zu bedrohen und Atomanlagen weiterlaufen zu lassen.”
Durch die Informationen, die in letzter Zeit über das gescheiterte Gorleben-Pilotprojekt Asse II bekannt wurden, gewinnt der Protest erneut an Aktualität. Auch das Endlagersymposium Ende Oktober in Berlin hat keine nennenswerten Ergebnisse geliefert. Weltweit gibt es kein sicheres Endlager für hochradioaktiven Müll. Dennoch wird tagtäglich mehr davon produziert.
Als Alternativen zur atomaren und fossilen Energiegewinnung muss ernsthaft in den Ausbau regenerativer Energien investiert werden. Div. Studien und sogar Vattenfall-Chef Joseffson bestärken, dass wir bereits heute die technischen Möglichkeiten haben, um auf erneuerbare Energien umzusteigen. Im Übrigen ist auch Atomstrom im gesamten Verarbeitungsprozess alles andere, als klimafreundlich. “Es gibt Alternativen! Das bedeutet für uns, Strom dezentral und selbstorganisiert zu erzeugen. Zum Beispiel in vielen Kleinanlagen wie Blockheitzkraftwerken oder Solaranlagen. JedeR ist verantwortlich, die Industrie wie einzelne VerbraucherInnen, die auch durch ihren Lebensstil mitentscheiden.” so Franziska.
Die Aktion enstand in einer Gruppe unabhängiger Individuen, die den Zusammenhang zwischen der Nutzung von Atomenergie und Herrschaft und Gewalt sehen. Denn ohne einen autoritären Staat und Großkonzerne kann Atomkraft nicht funktionieren. Die Transporte sind nur mit polizeistaatlichen Methoden gegen die Mehrheit der Bevölkerung durchsetzbar. Sicher ist, dass es solange Widerstand geben wird, bis alle Atomanlagen abgeschaltet sind.
“Wir ketten uns an in Solidarität mit AtomkraftgegnerInnen in Frankreich, im Wendland, den Cree und Dene in Kanada,den Mirrar und Aborigenes in Australien, den Tuareg in Nigeria und anderen anderswo. Wir handeln aus Entschlossenheit und brauchen dazu keine Parteien oder Verbände. Die Brutalität, mit der der Staat und die Konzerne ihre Interessen durchsetzen, zeigt die Normalität eines Systems, das wir so nicht wollen!” so Florian.
Politische Stellungnahme
Unsere Aktion ist für uns erfolgreich verlaufen. Wir konnten den Castor-Transport gute 12 Stunden aufhalten und die Zeit nutzen, um mithilfe der großen Aufmerksamkeit mehr Bewusstsein in der Bevölkerung für die Problematik der Atomkraft zu schaffen. Die Verhinderung des Transports war unser Mittel, um die rücksichtslosen aber hingenommenen Maßnahmen der Atomlobby zu stören und zu zeigen, dass Kernkraft entgegen der aktuellen Propaganda weder zukunftsfähig, noch klimafreundlich, noch nötig ist.
Es gibt Alternativen!
Endlich auf dezentrale Stromversorgung und erneuerbare Energien zu bauen, kann Atomkraft und fossile Energieträger vollständig ersetzen. Doch v.a. für Kernkraft gibt es eine starke Lobby, da sich durch Subventionen und andere staatliche Unterstützung deren Betrieb mehr als lohnt.
Auf diese Missstände und neuen Möglichkeiten, die von Staat, Atomlobby und Atomstromkonzernen vehement vor der Öffentlichkeit verschleiert werden, weisen wir hin. Keine Demonstration könnte diesen Zweck so weitläufig erfüllen. Keine Demonstration würde den Diskurs so anregen, wie die Blockade.
Uns geht es nicht primär um den Atommülltransport von Frankreich nach Deutschland, sondern darum, die Risikotechnologie ohne Endlagerlösung abzuschaffen. Der Müll kann auf der ganzen Erde nicht sicher entsorgt werden, doch wir Menschen produzieren tagtäglich mehr davon!
Wir prangern die Augen-zu-und-Stecker-in-die-Steckdose-Mentalität an! Den grenzenlosen, gedankenlosen Konsum von Energie! Den Angriff auf Menschenleben, vieler Menschen Gesundheit und die Umwelt beim Uranabbau! Die Inkaufnahme von Unfällen in Kraftwerken und beim Transport, sowie deren Spätfolgen!
Genauso denken wir an die beim Protest Verletzten und Getöteten!
All diesen Opfern der rücksichtslosen Atomindustrie wollen wir unsere Solidarität bekunden, wir denken an Euch!
Und all diese Opfer sind gleichzeitig Opfer einer von oben gelenkten Gesellschaft, in der unter massivem Polizeiaufgebot immer wieder Atommülltransporte und damit auch der Weiterbetrieb der Kraftwerke durchgesetzt werden.
Gerade deshalb werden immer wieder Menschen nötig sein, die sich den Transporten entschlossen und kreativ in den Weg stellen.