Im Artikel Pressemeldungen zur Demonstration am 25.04.2011
Bietigheimer Zeitung, 26.04.2011
"Lügenpack"-Rufe auch für Rot-Grün
Etwa 10 000 Kernkraftgegner marschierten am Ostermontag vor GKN in Neckarwestheim auf
Mit diesem Erfolg hatten selbst die Veranstalter nicht gerechnet: Etwa 10000 Demonstranten forderten am Ostermontag vor dem Kernkraftwerk Neckarwestheim den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie.
Eine Überraschung selbst für die Veranstalter: Dem Demonstrationszug gegen Atomkraft am gestrigen Ostermontag von Kirchheim zum Kernkraftwerk Neckarwestheim schlossen sich rund 10 000 Menschen an. Die aktuelle Katastrophe von Fukushima hatte viele besorgte Bürger mobilisiert. Fotos: Helmut Pangerl
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Es war ein beinahe unübersehbarer Menschenstrom, der sich gestern Nachmittag von Kirchheim an Gemmrigheim vorbei über den Berg hinunter zum GKN bewegte. Zahllose Fahnen knatterten im Wind, auf Transparenten forderten die Demonstranten (darunter sehr viele Familien mit Kindern und Jugendliche) den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie: "Abschalten - jetzt!", "Ausgestrahlt!", "Kein Fukushima in Deutschland". Baden-Württembergs Noch-Ministerpräsident Stefan Mappus und der CDU wurde auf Plakaten Atom-Lobbyismus vorgeworfen, 30 Holzkreuze am Wegesrand und dumpfe Trommeln erinnerten an die Katastrophen von Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima.
Der riesige Parkplatz vor dem Doppelmeiler im ehemaligen Steinbruch zwischen Neckarwestheim und Gemmrigheim war bald dicht besetzt von entschlossenen, aber friedlichen Kernkraftgegnern. Zwischen "Atomkraft Nein Danke"-Wimpeln und bunten "Pace"-Fähnchen zeigten BUND und Attac, Greenpeace und ÖDP, Grüne und SPD, Linke und auch vereinzelte Stuttgart-21-Gegner Flagge. Von der provisorischen Bühne auf einem Lkw herab rockte die Schweizer Gruppe "Rabiatisten" gegen Atomkraft, Krieg und Staatswillkür. In den Pausen skandierte die Menge minutenlang mit Begeisterung: "Abschalten. . .abschalten. . .abschalten."
Es waren mehr Aktivisten gekommen, als es sich die Veranstalter dieses Aktionstags verschiedener Gruppierungen unter Führung des Bundes der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar (BBMN) erträumt hatten. Zwar ging es eigentlich um den 25. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, aber das derzeit noch andauernde Kernkraftwerks-Desaster von Fukushima hatte ganz offensichtlich noch zusätzlich viele Menschen dazu bewegt, sich zu engagieren. Auch einige japanische Fahnen flatterten im scharfen Nordostwind.
Scharfe Töne gab es von führenden Atomkraftgegnern wie Henrik Paulitz von der internationalen Ärzteorganisation zur Verhütung eines Atomkriegs (IPPNW) oder Dr. Michael Wilk vom Arbeitskreis Umwelt Wiesbaden. Beide Aktivisten prangerten nicht nur die schwarz-gelbe Bundesregierung an, nach Fukushima nur zum Schein eine Kehrtwende in der Energiepolitik herbeiführen zu wollen. Auch Rot-Grün galten immer wieder "Lügenpack"-Rufe, weil sie für den Atomkonsens mit den Großkonzernen einst verantwortlich gezeichnet hatten. An die Adresse des früheren Bundesumweltministers Jürgen Trittin gerichtet, erklärte Wilk: "Wir werden das nie vergessen."
Die Forderung der Demonstranten vor dem Haupttor des ältesten (GKN I) und des jüngsten (GKN II) deutschen Kernkraftwerks: Keine Kompromisse mehr, sofort alle AKW abschalten. "Denn", so Wilk, "Atomanlagen sind nie sicher, ihr Betrieb ist unverantwortlich."
Besonders ergreifend war ein Auftritt der jungen weißrussischen Atomkraftgegnerin Lena namens der vielen Tschernobyl-Kinder, die heute als Folge des Reaktor-Unfalls 1986 krebskrank sind, unter Schilddrüsenkrankheiten leiden oder den Verlust der Eltern verkraften müssen. Mit einer Schweigeminute wurde im Anschluss an ihre Schilderung der Leiden der Opfer von Tschernobyl und Fukushima gedacht. Ein Sprecher des Vereins "Kinder von Tschernobyl" forderte danach: "Was wir jetzt brauchen, das ist ein Protest-Tsunami."
Redaktion: GÜNTHER JUNGNICKL
Ludwigsburger Kreiszeitung, 26.04.2011
Das Aus aller Kernkraftwerke gefordert
Rund 8000 Demonstranten ziehen zum GKN in Neckarwestheim - Kreuze am Wegesrand
An der bisher größten Anti-Atom-Demonstration vor den Atommeilern von Neckarwestheim haben sich gestern nach Veranstalterangaben 8000 Menschen versammelt und ein Abschalten aller deutschen Atomkraftwerke gefordert.
„Heute die kleine Sakura aus Fukushima, morgen Johanna aus Ludwigsburg“ war auf einem Plakat zu lesen. Ihre Angst vor der Atomkraft und ihren Zorn gegen das Taktieren der Politiker haben gestern 8000 Menschen bei einer Protestaktion vor den beiden Kraftwerksblöcken in Neckarwestheim zum Ausdruck gebracht. Die Polizei zählte 2000 Demonstranten weniger. Tausende bunte Fahnen wehten im Ostwind. Am Straßenrand waren Kreuze aufgebaut, die symbolisch an die Opfer von Tschernobyl erinnern sollten. 1986 Tschernobyl, 2011 Fukushima – wann Neckarwestheim?, fragten die Demonstranten. Die Veranstaltung war eingebunden in zahlreiche Proteste zum 25. Tschernobyl-Jahrestag.
„Wir Atomkraftgegner sind stark, wir sind viele. Wir werden auf die Straße gehen, so lange, bis abgeschaltet ist“, sagte Wolfram Scheffbuch vom Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar. Atomkraft sei lebensgefährlich, unverantwortbar und der Betrieb der Anlagen sei ein Verbrechen an der Bevölkerung, sagte Scheffbuch.
In einem, langen, von zahlreichen Polizeibeamten gesicherten Protestzug waren die Demonstranten gestern vom Bahnhof Kirchheim zu den Kraftwerken gezogen. Die Straßen und die Neckarbrücke waren für den Verkehr gesperrt. Die Teilnehmer des Protestes kamen aus der ganzen Region mit Zügen und Autos.
Eine von ihnen war Franziska Illger aus Gemmrigheim. Vor acht Jahren ist sie hierhergezogen. Sie beschäftigt sich mit der Atomproblematik und will, dass die Anlagen endlich abgeschaltet werden. Eberhard Krauch aus Burgstall bei Backnang war immer gegen Atomkraft. Jetzt müsse man dranbleiben, dass abgeschaltet werde, sagte er. Martin Kübler aus Bietigheim (77) ist mit Tochter und Enkel zum Protest gekommen. Er war immer schon gegen Kernkraftwerke.
„Schluss jetzt! Sofort und für immer. Keine Kilowattstunde Atomstrom mehr!“, sagte Monika Knoll vom Aktionsbündnis Energiewende Heilbronn. Berthold Frieß vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland kritisierte, dass es in Deutschland bis heute keine Energiewende gebe. „Wir dürfen nicht zulassen, dass nach den Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima sich wieder die Interessen der großen Stromkonzerne durchsetzen“, sagte Frieß. Er nahm auch die künftige grün-rote Landesregierung in die Pflicht: „Wir brauchen mutige Politiker in Baden-Württemberg, die die EnBW von dem atomaren Kopf auf erneuerbare Füße stellt.“
Henrik Paulitz von den Ärzten zur Verhütung des Atomkriegs bezeichnete die Informationspolitik der Stromkonzerne als „verantwortungslos“. Kernkraftwerke müssten endgültig abgeschaltet werden, weil die Technik nicht beherrschbar sei. Das Versprechen der Grünen, die Kernkraftwerke 2017 abzuschalten, nannte Paulitz einen „üblen Schachzug“. Den Parteien gehe es nur darum, Wahlen zu gewinnen. Den Stromkonzernen warf der Redner vor, Milliardengewinne zu machen und bei den Strompreisen weiter abzuzocken. „Lügenpack“, riefen die Demonstranten im Chor.
Es gab Infostände und Mitmachaktionen. Die Schweizer Anti-Atom-Band „Die Rabiatisten“ heizte den Demonstranten von der Bühne aus musikalisch ein.
Alfred Drossel
Heilbronner Stimme, 26.04.2011
Tausende demonstrieren vor GKN gegen Atomkraft
Von Joachim Kinzinger
Atomdemo in Neckarwestheim
Neckarwestheim - Der größte Protestzug der vergangenen Jahre schlängelt sich vom Kirchheimer Bahnhof zum Kernkraftwerk Neckarwestheim. „Mit 5000 bis 6000 hatten wir gerechnet, jetzt sind 8000 Leute hier“, ruft Moderatorin Monika Knoll von der Energiewende Heilbronn in die Menge bei der Kundgebung am Ostermontag vor den GKN-Toren. „Wahnsinn“, ertönt es aus den Reihen. Die Polizei geht von 6000 Teilnehmern aus.
Schon das Fahnenmeer am Kirchheimer Bahnhof ist gegen 13 Uhr riesig. Das Aktionsbündnis aus vielen Verbänden und Tschernobyl 25 wartet noch auf weitere Aktivisten, die mit dem Zug eintreffen. Gerade jetzt nach der Atomkatastrophe in Fukushima sei der sofortige Ausstieg notwendig, fordert Wolfram Scheffbuch vom Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar. Die Rabiatisten aus der Schweiz heizen mit ihrem Sound den Marschierern ein.
Trommelwirbel
„1986 Tschernobyl, 2011 Fukushima“, AKWs endlich abschalten“, steht auf dem Transparent an der Spitze des Zuges. Ein Junge hält das Schild „Atom ist todsicher“ in die Höhe. Es sind viele junge Leute und Familien dabei, die „abschalten, abschalten“ rufen. Mit Trillerpfeifen und Trommelwirbel geht es voran. „Unser Zug ist riesig“, freut sich Dr. Jörg Schmid aus Stuttgart. Längst haben die ersten die Kirchheimer Brücke passiert, als noch Leute am Bahnhof stehen. Auf der Anhöhe hat das Aktionsbündnis Castorwiderstand Neckarwestheim 35 Holzkreuze mit schwarzem Trauerflor in den Rasen gesteckt. „Sie erinnern an die 65 Beschäftigten des AKW Tschernobyl, die in den ersten drei Jahren starben“, erzählt Herberth Würth.
Polizeieinsatzleiter Jürgen Hamm aus Bietigheim geht zunächst von 5000 Demonstranten aus, zum Schluss der Kundgebung erhöht er auf 6000. Es sind junge Leute wie Noemi aus Tübingen dabei, die ein „Zeichen gegen die Atomkraft setzen“ wollen. Aber auch ältere Teilnehmer wie eine Frau aus Tamm, die seit den 70er Jahren gegen Kernkraft ist: „Es ist allerhöchste Zeit, dass sich viele Leute engagieren.“
Lehren
Der große Parkplatz vor den GKN-Toren ist bei der Abschlusskundgebung voller Menschen. Energieexperte Henrik Paulitz fordert, die Lehren aus Tschernobyl und Fukushima zu ziehen: „Das muss zur dauerhaften Abschaltung aller Atomkraftwerke führen.“ Eine junge Ärztin aus Weißrussland erinnert an die vielen Strahlenopfer, die unzähligen krebskranken Kinder und sagt „Nein zum friedlichen Atom, jetzt und für immer“.
Im Gedenken an die Opfer schweigen alle nach einem Gongschlag eine Minute. Atomanlagen seien nie sicher, meint Dr. Michael Wilk von AKU-Wiesbaden. Er kündigt vom 13. bis 21. August eine Abschaltblockade für GKN II in Neckarwestheim an. Der BUND-Landesgeschäftsführer Berthold Frieß sagt „Ja“ zu einer ernsthaften Energiewende. Deshalb müsse der sofortige und konsequente Atomausstieg beschlossen werden.
Stuttgarter Nachrichten / DPA, 25.04.2011
Atomkraft-Proteste in Neckarwestheim
Neckarwestheim/Philippsburg - Für die sofortige Stilllegung von Atomkraftwerken haben am Ostermontag Tausende von Menschen in Baden-Württemberg demonstriert. Etwa 5000 Kernkraftgegner kamen in Kirchheim am Neckar (Kreis Ludwigsburg) zu einem Marsch in Richtung Neckarwestheim zusammen.
„Wir Atomkraftgegner sind stark, wir sind viele. Wir werden auf die Straße gehen, so lange, bis abgeschaltet ist“, sagte Wolfram Scheffbuch vom Bund der Bürgerinitiativen mittlerer Neckar. Anschließend geplant war eine Kundgebung vor dem Atomkraftwerk.
25 Jahre nach Tschernobyl
Gegen die Atomkraft gingen auch auf den Rheinbrücken zwischen Baden-Württemberg und Frankreich Tausende von Menschen auf die Straße. An der Brücke Neuf Brisach/Breisach versammelten sich nach Auskunft der Polizei gegen Mittag für rund eine Stunde 3500 Kernkraftgegner, bei Neuenburg-Chalampé rund 1200 und in Hartheim etwa 200. Rund 550 Menschen - 450 Deutsche und 100 Franzosen - kamen auf der Europabrücke in Kehl zu einer Kundgebung zusammen. In Weil am Rhein zählte die Polizei im Rheinpark rund 2000 Atomkraftgegner.
25 Jahre nach dem Super-Gau in Tschernobyl und anlässlich der Nuklearkatastrophe von Fukushima wollten Atomkraftgegner am Nachmittag auch am Standort Philippsburg (Kreis Karlsruhe) ein Zeichen setzen. Teilnehmer in Philippsburg wurden aufgefordert, ausrangierte Betttücher und andere Textilien mitzubringen, um das AKW in einen „riesigen Kokon“ zu wickeln, hieß es auf einer Internetseite des Aktionsbündnisses „25 Jahre Tschernobyl“.
SWR, 25.04.2011
Neckarwestheim/Philippsburg: Grenzüberschreitende Osterdemo gegen Atomkraft
Auf den Rheinbrücken zwischen Baden-Württemberg und Frankreich haben am Ostermontag Tausende für die Stilllegung von Atomkraftwerken demonstriert. An einem Protestmarsch zum AKW Neckarwestheim (Kreis Heilbronn) nahmen nach Veranstalterangaben 8.000 Kernkraftgegner teil.
Die Polizei zählte bei sommerlichen Temperaturen 6.000 Demonstranten – im vergangenen Jahr waren es noch 150 gewesen. 25 Jahre nach dem Super-GAU in Tschernobyl und anlässlich der Nuklearkatastrophe von Fukushima waren auf der Strecke vom Bahnhof in Kirchheim am Neckar (Kreis Ludwigsburg) zum etwa zwei Kilometer entfernten Kernkraft Neckarwestheim Kreuze von gestorbenen Beschäftigten des AKW Tschernobyl aufgestellt worden. Berthold Frieß, Landesgeschäftsführer vom BUND Baden-Württemberg, nahm auf der Kundgebung auch die neue grün-rote Regierung in die Pflicht. "Wir brauchen mutige Politiker in Baden-Württemberg, die die EnBW von dem atomaren Kopf auf erneuerbare Füße stellt."
Vor dem Meiler Philippsburg demonstrierten am Nachmittag nach Polizeiangaben rund 3.000 Atomkraftgegner.
Großes Treffen auf den Rheinbrücken
An der Brücke Neuf Brisach/Breisach versammelten sich laut Polizei 3.500 Kernkraftgegner. Bei Neuenburg-Chalampé waren es rund 1.200 Demonstranten und in Hartheim etwa 200. Rund 550 Menschen - 450 Deutsche und 100 Franzosen - kamen auf der Europabrücke in Kehl zu einer Kundgebung zusammen. In Weil am Rhein zählte die Polizei im Rheinpark rund 2.000 Atomkraftgegner. Zu den Protesten hatten mehrere Umweltorganisationen wie das Aktionsbündnis "25 Jahre Tschernobyl", der BUND, Alsace Nature und die Initiative ".ausgestrahlt" aufgerufen.
Die Umweltschützer wollen mit ihren Aktionen den Druck zur Schließung des elsässischen Atomkraftwerks Fessenheim verstärken. Viele Demonstranten trugen Fahnen mit dem Anti-Atomkraft-Symbol oder forderten auf Transparenten einen sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie. Es kam vereinzelt zu Staus und Beeinträchtigungen im Verkehr, die Veranstaltungen verliefen friedlich und ohne Zwischenfälle.
Aktionen für den Frieden bereits am Karsamstag
Bereits am Karsamstag hatten sich Demonstranten in Baden-Württemberg bei den traditionellen Ostermärschen gegen Atomenergie, Atomwaffen und Kriege gewandt. Kundgebungen fanden in Stuttgart, Mannheim und Ellwangen statt.
Ihre Wurzeln haben die Ostermärsche im Protest gegen das atomare Wettrüsten während des Kalten Krieges. In Deutschland erlebten sie 1968 und 1983 ihre Höhepunkte mit hunderttausenden Demonstranten. Nach der Einigung über den Abbau der atomaren Mittelstrecken-Waffen 1987 verlor die Bewegung ein zentrales Thema. Das Ende des Ostblocks ließ die Teilnehmerzahlen bei den Ostermärschen weiter sinken. Der Golfkrieg 1991 und der Kosovo-Krieg 1999 brachten kurzzeitig eine Wiederbelebung, wie auch der Beginn des Irak-Kriegs 2003. Ähnliches erhofft sich die Friedensbewegung in diesem Jahr von den Anti-Atomkraft-Protesten.