Bietigheimer Zeitung, 04.04.07

JUSTIZ / STILLSTAND EINES ATOMMÜLLTRANSPORTS HINTER BIETIGHEIM BRINGT 44-
JÄHRIGEN DEMONSTRATIONSTEILNEHMER IN SCHWIERIGKEITEN

> Deutsche Bahn verklagt Castor-Gegner auf Schadenersatz

Auf 910 Euro Schadenersatz hat die Deutsche Bahn einen Kernkraftgegner
verklagt, der im November 2005 mit elf Gleichgesinnten bei Bietigheim
einen Atommülltransport aufgehalten haben soll. Noch ist unklar, ob der
44-Jährige dafür haftbar gemacht werden kann

Castor-Protest bei Bietigheim im Jahr 2005: Für seine Beteiligung an der
Blockade des Atommülltransportzugs will die Bahn einen 44-Jährigen
haftbar machen. FOTO: ARCHIV/HELMUT PANGERL

Castor-Protest bei Bietigheim im Jahr 2005: Für seine Beteiligung an der
Blockade des Atommülltransportzugs will die Bahn einen 44-Jährigen
haftbar machen. FOTO: ARCHIV/HELMUT PANGERL
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"Stopp dem Castor", diesen Slogan der Protestbewegung gegen Kernkraft und
Atommülltransporte hatten Demonstranten am Abend des 20. November 2005
auf der Bahnlinie zwischen Bietigheim und Besigheim zumindest kurzzeitig
wahr werden lassen: Weil die Schienen durch verschiedene Gegenstände
blockiert waren, musste der 650 Meter lange Bahntransport - beladen mit
hochradioaktivem Atommüll in zwölf so genannten Castor-Behältern - in
einem Waldstück kurz hinter dem Bietigheimer Wohngebiet Sand eine
Zwangspause auf dem Weg ins Zwischenlager Gorleben einlegen.

Der jetzt beklagte 44-Jährige aus Ludwigsburg war damals mit elf weiteren
Gleichgesinnten vor Ort und nutzte den Transport-Stopp, um sich mit
seinen Begleitern auf den Schienen niederzulassen und mit Fackeln und
Transparenten auf ihren Protest aufmerksam zu machen. Eine Aktion mit
Folgen: Zwar wurden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des
Verdachts auf "gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr" mittlerweile
eingestellt, jedoch erhielten sämtliche Demo-Beteiligten einen
Bußgeldbescheid der Stadt Bietigheim-Bissingen über 275 Euro - die
bislang aber noch von Keinem beglichen wurden. Scheinbar willkürlich hat
sich die DB Netz AG zudem den 44-Jährigen herausgepickt, um ihn für
vermeintliche Schäden an einem Fernmeldekabel wie auch für die Kosten
eines Bustransfers von verhinderten Zugreisenden zum Bahnhof nach Lauffen
haftbar zu machen. Weil der Beschuldigte aber gegen die
Schadensersatzforderung in Höhe von 910,84 Euro Widerspruch eingelegt
hatte, landete der Fall jetzt vor dem Zivilrichter am Amtsgericht
Besigheim.

Dort wies der 44-Jährige gestern weit von sich, die Schäden begangen oder
auch den Zwangsstopp des Castor-Transports herbeigeführt zu haben -
wenngleich er vor Gericht keinen Hehl daraus machte, über den Stillstand
des Zuges erfreut gewesen zu sein. Zugleich legte der Beschuldigte, der
sich als langjähriger Kernkraftgegner und Aktivist des Aktionsbündnisses
Castor-Widerstand Neckarwestheim zu erkennen gab, Wert auf die
Feststellung, dass es sich bei dem Protest seiner Gruppe an jenem Abend
keinesfalls um eine organisierte Aktion, sondern um "ein Treffen von
eigenständig handelnden Personen" gehandelt habe. Als Ziel des Einsatzes
formulierte er, "dass wir als Demonstranten wahr genommen werden",
betonte der Mann. Wichtig sei ihnen dabei gewesen, verantwortungsvoll und
gewaltfrei zu handeln und zu vermeiden, dass Menschen zu Schaden kommen.

Nicht gelten lassen wollte der 44-Jährige den Vorhalt des Richters, ob
sich die Gruppe gerade einmal ein Jahr nach dem Tod eines Castor-
Demonstranten, der in Frankreich von einem Zug erfasst worden war, nicht
doch bewusst auf "eine hochriskante Aktion" eingelassen habe. Auf die
Schienen hätten sich er und seine Begleiter erst begeben, nachdem sie von
Bundesgrenzschutzbeamten darüber informiert worden seien, dass der Castor-
Zug hinter Bietigheim zum Stillstand gekommen war.

Richter droht Zeugen

Dem Richter erschien diese Darstellung in wesentlichen Punkten jedoch
"wenig plausibel". So zweifelte er an, dass der Ludwigsburger, wie
beteuert, ursprünglich nur neben den Gleisen gegen den Castor-Transport
protestieren wollte: "Was soll das bringen? Das ist doch sinnlos." Weil
aber sowohl der Rechtsvertreter der Bahn als auch der Beschuldigte einem
Vergleich nicht zustimmten, beraumte der Richter einen weiteren
Verhandlungstag an, an dem mehrere Zeugen, darunter auch Begleiter des
Beschuldigten, gehört werden sollen. An deren Adresse kündigte der
Richter unmissverständlich an: Sollten auch ihre Aussagen nicht
überzeugend sein, werde er die sie betreffenden Akten umgehend wieder an
den Staatsanwalt weiterleiten. Außerdem ziehe er in Erwägung, die Zeugen
unter Eid aussagen zu lassen.

VON RÜDIGER MARGGRAF



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