IPPNW-Presseinfo vom 16.1.2009
Roland Koch lässt Atomkraftwerk Biblis trotz Radioaktivitäts-Austritt weiterlaufen
Brisantes Leck
Die hessische Atomaufsicht unter Ministerpräsident Roland Koch (CDU) lässt den
Atomkraftwerksblock Biblis B weiterlaufen, obwohl dort seit dem 10. Januar Radioaktivität
über einen so genannten Dampferzeuger in die Umgebung entweicht. Wie der Betreiber
RWE und das hessische Umweltministerium meldeten, ereignete sich in Biblis B am 10.
Januar eine "geringfügige Heizrohrleckage" in einem Dampferzeuger des Atomkraftwerks.
"Wir wollen nichts künstlich aufbauschen. Es handelte sich offenbar erneut um ein Leck
unterhalb der kritischen Größe", so Henrik Paulitz, Atomenergie-Experte der atomkritischen
Ärzteorganisation IPPNW. "Aber man muss wissen, dass Dampferzeuger-Heizrohrlecks ab
einer kritischen Größe alles andere als Lappalien sind. In allen offiziellen Risikostudien
gehören sie zu den gefährlichsten Auslösenden Ereignissen, die vergleichsweise leicht zur
Atomkatastrophe führen können. Biblis B ist besonders schlecht geschützt. Der
Atomkraftwerksblock weist nachweislich 17 schwerwiegende Sicherheitsmängel zur
Beherrschung dieser hoch-komplexen Vorkommnisse auf", so Paulitz.
Wegen des gewaltigen Gefährdungspotenzials darf es laut Paulitz eigentlich noch nicht
einmal zu einer solchen Kleinstleckage kommen, wie sie sich in Biblis nun am 10. Januar
offenbar erneut ereignet hat. "Eigentlich muss RWE Vor-Schädigungen an den Heizrohren
entdecken, lange bevor es zu einem Leck, also zu einem wand-durchdringenden Schaden an
einer solchen Rohrleitung kommt", so Paulitz. "Dass es nun aber erneut, wie schon 1998 -
damals trotz einer förmlichen Vorwarnung - zu einem Leck kommen konnte, zeigt, dass
RWE diese gefährliche Technik nicht im Griff hat. In Biblis kann es jeden Tag zum Super-GAU kommen. Ein Weiterbetrieb dieses Atomkraftwerks, wie von Roland Koch favorisiert, ist
völlig unverantwortlich."
Von einem Super-GAU in Biblis wären Millionen Menschen in Hessen wie auch in ganz
Deutschland betroffen. Nach Auffassung der IPPNW ist es aber bereits unverantwortlich,
dass die hessische Atomaufsicht das Atomkraftwerk Biblis mit dem aktuellen Leck einfach
weiterlaufen lässt, so als wäre nichts geschehen. "Wenn die offiziell angegebene Menge der
in Biblis ständig austretenden Radioaktivität auch nur ein Tausendstel des zulässigen Tages-Grenzwertes betragen soll, wie von RWE und der Landesregierung dargestellt, dann ist zu
berücksichtigen, dass Tages-Grenzwerte Radioaktivitäts-Spitzen darstellen, die
möglicherweise bei strahlen-empfindlichen Kindern in der Nahumgebung Krebs und
Leukämie auslösen können. Eine offiziell bei nur einem Tausendstel der zulässigen
Grenzwerte liegende Radioaktivität führte in der allseits gelobten Studie des atomenergie-freundlichen Mainzer Kinderkrebs-Registers zu dem Ergebnis, dass Kinder in der
Nahumgebung deutscher Atomkraftwerke vermehrt an Krebs erkranken."
"Die Regierung Koch handelt vor diesem Hintergrund völlig verantwortungslos, wenn sie das
Atomkraftwerk mit dem Leck einfach weiterlaufen lässt", so Paulitz. "Das Vorsorgeprinzip
verlangt zwingend, mögliche Gefahrenquellen sofort abzuschalten, spätestens dann, wenn
durch ein Leck Radioaktivität in die Umwelt freigesetzt wird. Vor allem aber müssen wir
endlich nüchtern realisieren, dass es in Biblis jeden Tag zu einem kritischen Dampferzeuger-Heizrohrleck und damit mitten in Europa zur Atomkatastrophe kommen kann. Dies gilt es zu
verhindern und deshalb muss dieses gefährliche Atomkraftwerk umgehend abgeschaltet
werden."
Kontakt:
Henrik Paulitz, Atomenergie-Experte der IPPNW, Tel. 0171-53 888 22
Wenn Sie auf diesen Satz clicken, können Sie vorliegende Pressemitteilung auch als pdf-Datei herunterladen.
Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW)
Körtestr. 10
10967 Berlin
Tel. 030-69 80 74-0
www.ippnw.de
Email: ippnw[at]ippnw.de
Über die IPPNW: Diese Abkürzung steht für International Physicians for the Prevention of
Nuclear War. Die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges engagieren sich
seit 1982 für eine Welt ohne atomare Bedrohung und Krieg. 1985 wurden sie dafür mit dem
Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Seit 1990 stehen zusätzlich gesundheitspolitische
Themen (z.B. Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere, Zugang zu
lebensnotwendigen Medikamenten) auf dem Programm des Vereins. In der IPPNW sind
rund 7.000 ÄrztInnen und Medizinstudierende organisiert.
*****
Aktionsbuendnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim
Info-tel 07141 / 903363
http://neckarwestheim.antiatom.net