Junge Welt, 20.07.09

> Strahlender Giftmüll
> Karlsruher AKW-Abfälle sollen verglast werden. Doch die Entsorgung verzögert sich und kostet Milliarden

Von Reimar Paul

In Karlsruhe lagert eine der gefährlichsten Hinterlassenschaften der deutschen Atomforschung. 500 Kilogramm hoch angereichertes Uran, fast 17 Kilogramm Plutonium, aufgelöst in etwa 60000 Litern Salpetersäure. Das Gebräu strahlt extrem. Von einer Trillion Bequerel ist die Rede. Demnächst soll es in Glas eingeschmolzen und abtransportiert werden.

Die Atomsuppe – im Fachjargon als »Highly Active Waste Concentrate« (HAWC) bezeichnet – stammt aus dem Betrieb einer Versuchsanlage zur Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente (WAK) aus Atomkraftwerken. Die WAK ging 1971 in Betrieb und wurde 20 Jahre später stillgelegt. Weil sich eine industrielle Wiederaufarbeitungsanlage weder in Gorleben noch im bayrischen Wackersdorf politisch durchsetzen ließ, machte auch die WAK als Erprobungsbetrieb keinen Sinn mehr. Der Bund, das Land Baden-Württemberg und die Atomwirtschaft vereinbarten deshalb die Stillegung.

Ihre giftige Hinterlassenschaft, die ständig gerührt und gekühlt werden muß, lagert seitdem in stark gesicherten Edelstahltanks auf dem Areal des Forschungszentrums – nur wenige Kilometer von der Karlsruher Innenstadt entfernt. Ursprünglich sollte der flüssige Atommüll zur Verglasung in ein Atomzentrum im belgischen Mol gebracht werden. Weil Bürgerinitiativen Proteste gegen den Transport angekündigt hatten, entschied man sich dann aber für die Verglasung vor Ort. Die strahlende Fracht wird dadurch zwar kaum weniger gefährlich, in festem Zustand läßt sich die Glasschmelze aber sicherer transportieren, erklärt WAK-Sprecher Peter Schira.

Die Glaskokillen werden voraussichtlich Ende 2010 quer durch Deutschland ins Zwischenlager Nord bei Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern gekarrt. Das Bundesamt für Strahlenschutz hatte die Fuhre bereits im Februar genehmigt. In der 200 Meter langen Lagerhalle strahlen bereits die radioaktiven Innereien der stillgelegten Atomkraftwerke Greifswald, Rheinsberg und Obrigheim vor sich hin. Bis zu 40 Jahre darf dieser Abfall im Zwischenlager Nord bleiben. Dann muß er in ein Endlager. Nach dem Stand der Dinge wird das wahrscheinlich in Gorleben gebaut.

Die WAK selbst soll nach den derzeitigen Planungen bis 2020 abgerissen werden, das Gelände drei Jahre später wieder eine grüne Wiese sein. Doch der Zeitplan ist schon öfter aus den Fugen geraten. Auch der ursprüngliche Kostenplan ist längst Makulatur: Statt etwa einer Milliarde Euro dürfte das Projekt am Ende rund drei Milliarden Euro kosten. Mehr als die Hälfte davon müssen die Steuerzahler aufbringen. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl warnt davor, angesichts explodierender Kosten bei der Sicherheit zu sparen. Sie kritisiert insbesondere, daß der verglaste Atommüll vor der Fahrt ins Zwischenlager bis zu eineinhalb Jahre lang in Castoren mit nur einem einzigen Deckel in einer Art Garage aufbewahrt werden soll.

Nun wurde bekannt, daß sich die Verglasung der Karlsruher Atomsuppe erneut um mehrere Wochen verzögert. Der zunächst für den 2. Juli geplante Beginn des Prozesses habe verschoben werden müssen, teilte das Forschungszentrum mit. Das baden-württembergische Umweltministerium läßt derzeit noch einmal durch Gutachter den Betriebsbereich prüfen, in dem die hochradioaktive Brühe verglast wird. »Nach über zehn Jahren kommt es auf ein paar Wochen auch nicht mehr an«, sagte ein Ministeriumssprecher. Das Umweltministerium geht davon aus, daß die Verglasung nun Ende Juli starten kann.

*****
Aktionsbuendnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim
Info-tel 07141 / 903363
http://neckarwestheim.antiatom.net