Liebe AKW-GengerInnen,
wir laden Euch recht herzlich zu den beiden Veranstaltungen in Darmstadt (kommenden
Montag) und Ludwigsburg (Dienstag) ein!
> 30 Jahre Freie Republik Wendland - 30 Jahre Widerstand
Im Mai 1980 besetzten tausende von Atomkraftgegnern den Bauplatz für die geplante
Tiefbohrung 1004 bei Lüchow-Dannenberg. Innerhalb weniger Tage entstand ein
"Hüttendorf" mit allen notwendigen Einrichtungen: Öffentliche Küche, Sauna,
Freundschaftshaus, Duschhaus, Solaranlagen, Gewächshäuser, Toiletten, mit Windenergie
betriebener Tiefbrunnen Kirche, Bäckerei, Klinikum, Einreisebehörde mit Passamt,
Ponyreitanlage für Touristen sowie der Freie Wendländische Frisiersalon. Zum ersten Mal
wurde eine autonome, selbstverwaltete Gemeinschaft aufgebaut. Für viele war es ein
wichtiges Erlebnis, daß ein Leben ohne Staat organisierbar ist.
Nach 33 Tagen, am 3 Juni 1980, wurde die Freie Republik Wendland von 10.000 BGS-Beamten gewaltsam geräumt und zerstört.
"Turm und Dorf könnt Ihr zerstören, aber nicht unsere Kraft, die es schuf!“, so hieß es auf
einem Transparent im Hüttendorf 1004. Verdammt lange her. Doch der für eine ganze
Generation identitätsstiftende Geist der Freien Republik Wendland hat sich bis heute in die
aktuelle Castor- und Anti-AKW-Auseinandersetzungen niedergeschlagen.
Anlässlich der Räumung des Hüttendorfs vor 30 Jahren findet im Wendland vom 4. bis 6.
Juni ein Aktionswochenende statt: Ausstellungen, eine Demonstartion (am 5.6.),
Diskussionsrunden, Musikprogramm, Kultur und die Umzingelung des Gorlebener
Schwarzbaus sind bereits angekündigt.
Freund_innen aus der BI Lüchow-Dannenberg sind an diesem Abend zu Gast im DemoZ.
Euch erwartet ein Multimedialer Rückblick auf die „Freie Republik Wendland“ sowie aktuelle
Infos aus erster Hand zum Aktionswochenende ab dem 4. Juni.
Eintritt frei, Spende erwünscht
> Montag, 03. Mai, 20.00 Uhr
Oetinger Villa, Darmstadt ( http://www.oetingervilla.de )
Va.: atomkraftENDE.darmstad
> Dienstag, 04. Mai, 19.30 Uhr
DemoZ Ludwigsburg ( http://www.demoz-lb.de )
Va: Aktionsbündnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim
Ein Artikel dazu: DDP, 29.04.10
> Vor 30 Jahren wurde die «Republik Freies Wendland» ausgerufen
> Atomkraftgegner besetzten ein Bohrloch in Gorleben
Gorleben (ddp-nrd). Als das «Untergrundamt Gorleben-Soll-leben» am 3. Mai 1980 die
Bohrstelle 1004 über dem Gorlebener Salzstocks für besetzt erklärt und im ganzen Land um
Unterstützung wirbt, macht sich auch der Hamburger Fotograf Günter Zint in seinem
klapprigen Wohnmobil auf den Weg in den Kreis Lüchow-Dannenberg. Der damals 38-Jährige Zint will eigentlich nur ein paar Bilder machen und dann wieder nach Hause fahren.
Doch Zint bleibt. Er verknipst in dem Hüttendorf viele hundert Filme und wird so zum
Chronisten der «Republik Freies Wendland».
Tausende Umweltschützer wollten damals mit der Besetzung die Tiefbohrungen stoppen, mit
denen Bund und Stromwirtschaft den unterirdischen Salzstock auf seine Eignung als
Atommülllager erkunden. Auf sandigem Boden errichten sie ein großes Rundhaus für
Versammlungen und Dutzende Wohnhütten aus Baumstämmen, Stroh und Glas.
«Ich habe mit großer Begeisterung alle verschiedenen Bauarten der Häuser dokumentiert»,
erinnert sich Zint. «Es gab Energiesparhäuser mit Heizung aus Flaschen, die sich in der
Sonne erwärmten und nachts die Wärme nach innen abgaben. Es gab eine Großküche, eine
Krankenstation, eine Kirche, eine Groß-Toilettenanlage und eine Badeanstalt mit
holzbeheizter Badewanne.» Am Dorfeingang entstand ein Passhäuschen mit Schlagbaum,
wo «Wendenpässe» ausgestellt werden und über dem die grün-gelbe Wendlandfahne
flattert.
Die Behörden sind empört und verurteilen den «Rechtsbruch». Niedersachsens
Innenminister Egbert Möcklinghoff (CDU) sagt damals bei einem Besuch im Wendland, dass
die «scheinbare Idylle und das rechtschaffene, ärmliche und gewaltlose Bild nur Kulisse»
seien. Eine Holzhütte mit der Bezeichnung «Fritz-Teufel-Haus» hält für die Anschuldigung
der Lüneburger Bezirksregierung her, die «Republik Freies Wendland» sei ein Refugium für
Terroristen. Teufel war ein politischer Revoluzzer aus der damaligen West-Berliner
Studentenszene.
Der Häuserbau und die frische Luft machen hungrig. «Oft hatten wir abends keine Ahnung,
was es am Morgen zum Frühstück geben würde», erzählt Lilo Wollny. Die damals 54-Jährige
organisierte die Verpflegung für Hunderte Atomkraftgegner auf dem besetzten Platz. In den
Anfangstagen bringen Bauern Kartoffeln und Gemüse, Bäcker liefern kostenlos das Brot vom
Vortag. Frauen aus den Nachbardörfern backen Kuchen, die in der «Republik Freies
Wendland» für eine Spende abgegeben werden. «So kamen wir an Geld, um selber was
einzukaufen», sagt Wollny.
An den Wochenenden reisen Tausende Neugierige an, das Dorf wird zur touristischen
Attraktion von Kaffeefahrten und Familienausflügen. Manche Gäste wollen nur mal gucken,
andere bringen Werkzeug mit und helfen beim Häuserbau. «Eines abends tauchen
unverhofft ein paar Damen im Abendkleid und Herren im Smoking auf und überreichen
etwas verlegen Platten mit Häppchen, die von einer Geschäftseinweihung übriggeblieben
sind», schreibt eine Zeitung. Auch Gerhard Schröder, damals Bundesvorsitzender der
Jungsozialisten, schaut im Hüttendorf vorbei.
Abends spielen Rockbands, Folkgruppen, Theaterkollektive und Liedermacher wie Wolf
Biermann und Walter Moßmann. Göttinger Theologiestudenten bauen im Dorf eine
Holzkirche. Rund 100 Besucher kommen zum ersten Gottesdienst. Die hannoversche
Landeskirche hat kurz zuvor ein Predigtverbot für einen Pfarrer aus dem nahen Gartow
erlassen.
Am 4. Juni wird die «Republik Freies Wendland» von der Polizei geräumt. Rund 10 000
Beamte umstellen das Hüttendorf, Hubschrauber donnern im Tiefflug über die Baumwipfel.
«Das sah aus wie Bürgerkrieg und fühlte sich auch so an», sagt die Grünen-Politikerin
Rebecca Harms. Die Küchencrew hat ihren letzten Einsatz. «Wir haben noch Tee und Suppe
gekocht, als die Räumung schon begonnen hatte», berichtet Lilo Wollny.
5000 Atomkraftgegner sitzen an jenem Tag singend auf dem Dorfplatz. Beamte zerren die
Demonstranten aus der Menge, vereinzelt kommen Schlagstöcke zum Einsatz.
Raupenfahrzeuge walzen die Hütten nieder. Günter Zint beobachtet den Einsatz aus dem
Fenster eines Hauses. Sekunden nachdem er das Gebäude verlässt, rammt ein Bulldozer
den Bau. Die Hütte fällt in sich zusammen.
«Reine Glückssache», sagt Zint, «dass ich diese Situation überlebt habe.» Trotz dieses
Angstmoments überwiegen bei dem Fotografen die guten Erinnerungen an die Republik
Freies Wendland. «Es waren viele aufregende Wochen mit einer tollen Solidarität unter den
Bewohnern», sagt er. «Ich bin froh, dabei gewesen zu sein.»
(ddp)
akw-feindlichen Grüße
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Aktionsbuendnis CASTOR-Widerstand Neckarwestheim
Info-tel 07141 / 903363
http://neckarwestheim.antiatom.net